Volltext: Kunst und Kunstgewerbe auf der Wiener Weltausstellung 1873

WOHNUNGSAUSSTATTUNG. 
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sehnitzten 0rnamenten sind von allen Ansstellungen her berühmt, und so sehen 
wir auch diesmal glänzende Beifpiele, insbesondere bei Gueret freres, Henri 
F o urdinois, der I867 die am meisten bewunderte Prachtarbeit hatte, und bei R ons 
dillon, dessen keineswegs vollkommen gut gearbeitetes Hauptstück, ein Kasten 
mit zwei Thüren und zarten, aus dem Relies in Marqueterie übergehenden 0rnas 
menten vom Berliner Gewerbemufeum gekauft wurde. Alle diese franzof1fchen 
Arbeiten haben zwei Eigenschaften, die sie, im Geiste wenigstens, dem achtzehnten 
Jahrhundert nähern und wesentlich von den ähnlichen italienifchen Arbeiten 
unterscheiden: einmal die ausserordentliche Magerkeit der Renaifsanceformen, der 
Glieder und Prof1le, und zum zweiten die viel zu weit getriebene Behandlung 
der Oberfläche, insbesondere der,Re1iefs, die reine Metallisirung ist und nicht daran 
denkt, dass sie es mit Holz zu thun hat. 
Neben diesen Renaissancekasten muss es natürlich auch Renaissancevorhänge 
und entsprechende Sitzmöbel geben. Erstere stosTe treten diesmal  und das 
ist wohl schon eine Wirkung der internationalen Reform  Weit Z8I1IkCiChCk Und 
weit schöner auf als im Jahre I.867. Imitationen Lyoneser Fabricats von Venes 
tianer und Genueser Sammetstoffen Cmit Sammetb1umen und 0rnamenten auf lichtem 
AtlasgrundJ sind mehrfach ausgestellt und zum Theil, z. B. bei Tassinari, von bes 
wunderungswürdiger Schönheit. Diese Arbeiten gehören zum Entzückendstcn, 
was heute die ganze französische Kunstindustrie schafft. Auch gelungene Res 
naiffancesefsel und Fauteuils von Eichenholz mit ähnlichen, aber bescheidener 
gefarbten Sammetstoffen sieht man bei verschiedenen Decorateuren, nur muss 
man es mit der Renaiffance nicht so genau nehmen, denn es hat hier bei den 
Sitzmöbeln eine kleine Verschiebung der Zeiten stattgefunden. Was wir Res 
naisfancesessel nennen, das ist nach den Mustern des f1ebzehnten Jahrhunderts ges 
schaffen, nicht des sechszehnten. Die eigentliche Renaissance brauchte noch 
mehr die Sitzbänke und Sitztruhen als das beweglichem Gestühl. 
Ausserdem sindet man in den Ansstellungen der Tapezierer für das Sitzmobel 
eine reiche Zahl von Spiel: und Phantafieformen, dünn und mager, als Abakt der 
chinesischen Bambusstühle, oder kurz, gedrungen, schwellend, das Princip des 
Divans aus den Stuhl übertragen, bald mit geblümtem Stoff, bald mit einfarbiger 
Seide, bald mit orientalischer Stiekerei überzogen oder.verziert. Die franzosische 
Phantasie schafft darin Neues für jede Saison, und doch ist es, wie, bunt und vers 
schieden es auch aussieht, im Gru11dcharakter stets dasselbe und durch die Abwesens 
heit jeglichen Stils am meisten bezeichnet. So wie das Gestühl, so giebt es auch 
eine Menge anderer Phantasiemöbel, mit Elfenbein, mit eingesetzten Steinarten, 
mit Faiencesliesen, insbesondere auch mit sigürlichen Bronzereliefs, ein keineswegs 
gelungenes Genre, a1s,dessen Hauptvertreter Dieh1 gelten mag. 
Bei all diesen Gegenständen, die für ein künstlerisches Auge ,,aus der Akt 
schlagenU, ist sehr selten etwas Erfreuliches; zuweilen gelingt es aber auch dieser 
beweglichen Phantasie, wenn sie mit etwas Poesie gepaart ist, da wo sie die Schablone 
verlässt, in ausser0rdentlich glücklicher Weise. Ein solches Beifpiel ist das Zimmer: 
modell von Pen0n, das nicht Renaissance, nicht Rococ0, nicht Architektur, nicht 
Decoration ist, das jeder Regel spottet und doch unendlichen Reiz bef1tzt. Ein 
Zimmerchen, in das eine gekrümmte Stiege mit einem geschnitzten Geländer
	        
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