Volltext: Kunst und Kunstgewerbe auf der Wiener Weltausstellung 1873

 
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KUNsTGEWERBE. 
 
wenn wir zwischen diesen sich kreuzenden B1umenranken, Pflanzen und Bäumen 
hindurch in Gletscherlandschaften hineinsehen, in die unser Fuss hineintreten soll. 
Wir hätten solche Absurditäten, wie sie die Fabriken Von Nimes als ihre Prachts 
sIücke ausstehen, nicht mehr erwartet. Es scheint aber fast, als ob dieser schon 
verschol1ene Geschmack noch einmal wiederkehren will. Die Farben, haben wir 
gesagt, sind gemässigt gegen früher, aber immer noch so lebhaft, dass ganz wider 
alle Ordnung in einem französischen Salon die grösste Farbenpracht oder sagen 
wir Farbenunruhe auf dem Boden liegt. Während jeder achte Kunststil aus dem 
Boden für das Auge die Ruhe sucht und sich nach oben hin mit feiner Decoras 
ti0n reicher und reicher entfaltet, ist es bei dem französischen Salon umgekehrt: 
oben amsPlasond farbloser weisser und grauer Stück, unten blühende Farbens 
pracht und an den Wänden die neutralen Zwischentöne. Dem ganz entsprechend 
legen die grossen französischen Teppiche, welche den ganzen Salon in einem 
Stück bedecken und dieses Stück mit einer einzigen reichen Compos1tion vers 
zieren wollen, den Plasondigeradezu auf den Fussboden. sie imitiren den reichst 
componirten Plasond mit feinen StuckreliefS, mit architektonischen Ornamenten, 
mit Medaillons und Figuren, übersetzen ihn in Farbe, zeichnen ihn im Relief mit 
IsIinzufügung von Licht und Schatten und kehren so buchstäb1ich das Oberste zu 
untersk. In dieser grundverkehrten Art ist das Prachtstück der französischen Teps 
pichwirkerei von Braquenie sreres.  
Es wird nicht nöthig fein, das achtzehnte Jahrhundert noch weiter in der 
heutigen französischen Wohnung, soweit sie wenigstens auf künstlerische Decoratio11 
Anspruch macht, nachzuweisen; wir haben vielmehr einer aufsal1enden Erscheinung 
daneben zu gedenken, welche ihr zu widersprechen scheint und auch widerspricht. 
Der heutige Franzose lebt, was die Kunst betrifft, im achtzehnten Jahrhundert, 
er schläft auch darin, aber er speiset im fechszel1nten. Das ist die Regel, dass, 
während Salon und Schlafzimmer im IStil LouiS XV. und XVI. gehalten sind, das 
Speisezimmer im Stil der Renaissance eingerichtet ist, und dieses führt zur Erkläs 
rung vieler Gegenstände in der französischen Aussiellung. Das charakteristische 
Beispiel. dafür giebt uns das schon erwähnte französ1sche Commissionshaus. Hier 
haben wir auf der einen Seite den blumigen, 1ichtgrauen Salon mit seinen vorne 
ausgeschweiften Gobelinsmöbeln, auf der andern Seite das dunkle ernste Speises 
zimmer mit sehr schöner Goldtapete im Renaissancesiil, mit strengen skilvollen 
Ebenholzmöbeln und mit wirklich ansprechender, anheimelnder und doch eleganter 
Haltung, wobei nur der Plafond mit seiner verzopften Malerei, seinem Gewölbe 
und seinem blauen Himmel, in dem sich der grosse Luskre höchst komisch verliert, 
einen gar sonderbaren Missklang bringt. Zuweilen begnügt sich der Franzofe 
auch nicht mit Roc0co und Renaissance, sondern er raucht feine Cigarre und 
nimmt seinen case im Orient und badet in Pompeji, im Griechenthum. Wir 
kennen ein vornehmes, von einem französischen Decorateur eingerichtetes Haus 
in Wien, worin man die ganze Kunst: und Culturgeschichte an einem Tage durchs 
leben kann.  
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Diefe NebenPce1lung. der Renaiffance hat vorzugsweife zuk Ausbildung der 
franzöf1fchen Ebeniskerei geführt. Die Parifer Credenzen, die Bücl1erkaPcen und 
f0nPcigen Möbel von Ebenholz und Eichenh0lz oder Ebenho1zsImitation mit ges 
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