Volltext: Kunst und Kunstgewerbe auf der Wiener Weltausstellung 1873

DlE 
EXPOSITl0N 
DES 
AMATEURs. 
Abtheilung befanden sich zwei Objecte, die unbedingt zu dem Anziehendsten in 
der gesammten Expos1tion des Amateurs zu rechnen waren. Es smd dies zwei 
etwa sechs Schuh lange Schranke, oder richtiger Truhen, mit oFsenbarem Deckel, 
aus der Domkirche Zu Graz stamrnend, wo sie  ihrer ursprünglichen Bestimmung 
wohl sehr wenig entsprechend  lange Zeit als Reliquienschreine dienten. Diese 
Möbel, oberitalienische Arbeiten aus dem l5.Jahrhundert, zeigen an den vordern 
Langfeiten f1gurenreiche Reliess Es. die AbbildungenI mit den Darstellungen der 
sechs ,,TriumpheU nach der Dichtung des Petrarca. Der Stil dieser Reliefs trägt 
die deutlich ausgesprochenen Merkmale der Mantegnesken Kunstrichtung etwa 
aus den 80er Jahren des 15. Jahrhunderts, und wir dürfen uns den unbekannten 
Verfertiger in naher Beziehung zur Paduaner Schule denken. 0rnamentirte Pis 
lafter theilen die vorderen Langseiten der Truhen in  drei grosse Felder ein, 
in denen lich die von einer einfachen Palmettenumrahmung eingefassten Compos 
f1tionen befinden. Die Anordnung folgt genau der Dichtung des Petrarca. Dems 
gemäss i1t auf der ersten Truhe der Triumph der f1nnlichen Leidenschaft über die 
Seele des Menschen dargestellt unter dem Bilde des Cupido; sein Wagen wird 
von feurigen Rossen gezogen und Menschen aller Classen und Stände begleiten 
ihn. Auf dem zweiten Felde triumphirt die Keuschheit Todes die Vernunft; über 
die Liebe, auf dem dritten der Tod über die Vernunft. Die Reihenfolge setzt 
sich auf dem andern Schreine fort: da folgt der Triumph des Ruhmes über den 
Tod, der Triumph der Zeit über den Ruhm, und endlich als Letztes der 
Triumph der Ewigkeit, dargestellt unter dem Bilde Christi über Zeit und alle 
Dinge.  
Die weit ausgesponnene Allegorie des GediChtCs Was für die Kunst der Rc. 
naissance ein fruchtbarer Vorwurf der bi1d1ichen Darstellung, dem wir in der 
Malerei und Sculptur, in Kupferftich und H0lZfCI1Uikk IN 611d10se11 Variationen be. 
gegnen, und auch in unsern Reliefs hat der Künstler die C0mpof1tion ziemlich 
originell und in seiner Art gefasSt. Bemerkenswerth ist der vortreffliche Reliefs 
stil in der Anordnung der Zuge, der ja so recht die Sache des Mantegna und 
der Künstler war, die von ihm ihre Anregung empfingen. Die Durchführung 
namentlich der Köpfe hat etwas von der Sorgfalt und Detailarbeit eines Cameo. 
Es fcheint, dass diese beiden Stücke für einen deutschen Beftel1er in Italien ges 
arbeitet wurden. Die schmalseiten tragen V6kfcI1iedenartige Embleme, darunter 
eine Hirfchkuh mit einem Spruchbande, auf dem die Worte ,,bider raktU 
Cbieder rechtJ1; wobei die absonderliche Schreibweise und ungeschickte Bildung 
des K darauf deuten, dass dem Künstler die Sprache der Inschrift wie auch das 
Schreiben dieses Buchstaben nicht geläufig war. 
1m Anfchlusse hieran wollen wir noch eines merkwürdigen n1ittelalterlic11en 
Mobels Erwähnung thun, das aus dem F rauenftift auf dem Nonnberge bei Salzburg 
in der ofterreich. Abtheilung ausgestellt War. Es ift diess das Original eines sogen. 
Faldiftolium oder Faltistorium, eines Faltstuhles, wie er zuweilen auf Münzen und 
Siegeln als Abzeichen der bischöslichen XsVi.irde bei den Bildern der Betreffenden 
vorkommt. IS. die AbbildungJ. Es ist ein se1dseffelartiger Stuhl mit Bronzefiissen 
und Bronzebeschlägen und elfenbeingeschnitzten Löwenkopfen an den Enden der 
rothbemalten Stützbalkens, und als Möbel des Mittelalters von seltener Erhaltung 
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