Volltext: Kunst und Kunstgewerbe auf der Wiener Weltausstellung 1873

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ZElCHENs 
UND 
KUNSTUNTERRICHT. 
 
zweckn1ässigc Vorlagewerke für den Elen1entarunterricht zum Theil Trefs1iches 
geleistet haben. Zu bedauern war es, dass aus der Ausste1lung wenig Schülers 
arbeiten aus den Volkss und Mittelschulen vorgelegt waren; das Meiste sandten 
die Fach und Fortbildungsschulen, und in dieser Hinsicht konnte besonders aus 
SüdsDeutschland ein klares Bild der gegenwärtigen Bestrebungen gewonnen werden. 
Umsassend.hatte Bayern sein Unterrichtswesen repräsentirt. Der Zeichens 
unterricht, so weit er in den verschiedenen Schulen gepflegt wird, dient 
fast ausschliesslich gewerblichen Zwecken; der Schwerpunkt desselben liegt in 
den kunstgewerblichen Schulen von München und Nürnberg. Die Arbeiten aus 
den beiden Anstalten bildeten auch den Glanzpunkt der bayeriscl1en Ausstellung 
und es war vorzugsweise die Nürnberger Schule, welche in gr0ssartiger Weise 
ihre Leistungen vorsührte. Das Institut hat in den letzten zwei Jahrzehnten unter 
Kreling7s Leitung einen bedeutsamen Ausschwungsgenommen; die Organisation 
desselben lässt nichts zu wünschen übrig. Es werden neben den vorbereitenden 
Studien im Zeichnen und Modelliren auch die verschiedenen für das Kunstges 
werbe wichtigen Arbeiten in Holz, Metall etc. geübt und für diese Zwecke von 
der Anstalt Bestellungen übernommen, die dann von den Schülern unter Leitung 
ihrer Lehrer ausgeführt werden. Es handelt sich nur darum, zu untersuchen, wie 
die Richtung der Schule sich in Bezug auf den Stil zu der allgemeinen Strömung 
der Zeit verhält und welche Rolle sie in dieser Beziehung in der Gegenwart spielt. 
Wer das alte Nürnberg durchwandert, wird es begreiAich finden, dass inmitten 
der lebendigsten Traditionen des Mittela1ters, untet den schönsten Blüthen der 
deutschen Kunst aus jener Epoche in einer dortigen Kunstschule diese Elemente 
noch sortleben müssen, selbst wenn anderwärts die Zeit längst der Kunst ein neues 
Gewand geschasfen hat. Die Nürnberger Kunstschule, die denn ehedem vorwies 
gend die Gothik pflegte, hat nun wohl, von der Zeit gedrängt, nach und nach 
die deutsche und auch die italienische Renaissance aufgenommen, aber die vers 
schiedenen Elemente vereinigen sich in ihrem Berühren nicht zu neuer Fruchtbars 
keit. So achtenswerth die Leistungen der Schule nach verschiedenen Richs 
tungen hin genannt werden müssen, so war daraus doch nur zu erkennen, dass 
in dem Nachahmen des Hergebrachten auch ihre höchste Leistung liegt. Es 
fehlen die puls1renden Elemente, die zu neuen, 1ebensvollen Formen anregen. 
Die Stilrichtung, welche in der königlichen KunstgewerbesSchule in München 
gepsiegt wird, schliesst sich, wie die Ausstellung zeigte, vorwiegend an die 
Renaissance an; jedoch wird auch aus ältere class1sehe Motive zurückgegrifsen. 
Die Zeichnungen bestanden meistens in Decorationsmotiven. Hier belebt ein 
eisriges Studium der Pflanze die Motive und dessen wohlthätiger Einfluss zeigte 
sich insbesondere bei den farbigen Studien. Die Gypsornamente, von den schüs 
lern meist nach kleinen Skizzen von dem verstorbenen Director H. Dyk ges 
fertigt, waren mit vollem Verständnisse der Formen und mit viel Delicatesse 
ausgeführt; dasselbe gilt von den Holzarbeiten und Broncen; schwächer war 
das F igurenzeichnen repräsentirt; auch hierin war jedoch der Lehrgang systematisch 
dargestellt, und konnten die Leistungen von Stufe zu Stufe verfolgt werden. Im 
Architecturzeichnen fanden sich gut gezeichnete Studien von griechischen und 
römischen Denkmälern und Decoratives aus der Renaissance vor. 
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