ll
DIE
VE RVlE LFÄLTIGENDEN
KUNSTE.
II
sterblich gemacht hat. Aber Rasael und Correggio, welcher AbstandL Alles was
hier Tugend ist, wird dort Sünde. Das Schwellen des Fleisches, das Vibriren
des Contours, der zitternde Farbennebel, der über der ganzen Bildfläche lagert,
alles das hat mit Rasael7s Art nichts gemein. F Lir Correggi0 hat es Henriquel
unvergleichlich wiedergegeben. sein Triumph ich kann mich des Gedankens
nicht erwehren hat Keller nicht schlafen lassen, der doch aus Erfahrung wissen
musste, dass Rasael nur in ganz bestimmten, klaren Umrissen, nur mittelst eins
facher, gediegener stichelzüge festzuhalten ist. Aus der allgemeinen Begründung
von Keller7s Irrthum scheint mir aber auch eine allgemeine Folgerung herv0rzus
gehen, die nämlich, dass auch uns das Verständniss einer rein stilistischen Vollens
dung der Zeichnung immer mehr abhanden kommt.
Besser steht es um das soeben vollendete sposaliZio von R. Stang. Zus
nächst ist Longhi keine so gefährliche F01ie wie Müller; doch ist auch jener beis
weitem nicht verdunkelt worden. Auch hier lässt die Bestimmtheit der Zeichs
II
nung Manches zu wiinfchen übrig, z. B. das ausgefchliffene, unsichere Prosil jener
Frau zur Linken, die sich auch im Original durch die abfcheuliehe Drapirung
ihres Gewandes auszeichnet. Wenn fchon nicht beim fpäteren, fo können wir
noch weniger beim jugendlichen Rafael Pcilistifche Genauigkeit entbehren. Dafür
würden wir den FarbensContrast gerne in den Kauf geben, durch welchen die
vordere Hauptgruppe von dem duftigen Hintergrunde nicht abfiicht nein, abs
fällt ein Fehler freilich, der bereits dem Originale anhaftet,. vermuthlich feit
der Zeit, da es von der dunklen Ueberma1ung des Grundes befreit wurde. Dem
nun wieder lichten Hintergrunde aber und auch den kleinen Figuren in der Ferne
hätte es hier an der entfprechenden Durchzeichnung nicht fehlen follen. Diefen
schwächen, welche indess ebenfowohl als Concefsionen an den Zeitgefehmaclc
aufgefafst werden können, ftehen auch grofse Vorzüge entgegen, als: folide Ausi
fiihrung, liebevolles Eingehen in die Zartheiten des Vorbildes, willige Hingebung
an den Meister. Immerhin bleibt stang7s Arbeit eine der bedeutendfien Leifkuns
gen des modernen Kupfersiiches.
Ganz anders freilich verfkeht sich Eduard Mandel auf die Wiedergabe Rai
fael,s. Der Altmeifter hat ja noch andere Zeiten gefehen, in denen grosse Fors
menanfchauung und correcte Linienfiihrung im Sinne der Alten in Ehren Hans
den. Es waren drei Blätter von ihm ausgestellt. Zwei davon sind in aller VVelt
bekannt und beliebt, fo dafs es iiberfliifsig wäre, ein Wort zu ihrem Preife auss
zufprechen; es find die Madonna della Sedia nach Rafael und die Bella di Tis
zian0, beide in Florenz. Diefe Blätter sind aber weit iibertrosTen durch feine
neueste Arbeit, durch die, zum erstenmale gePc0chene, kleine Madonna PanShanger
von Rafael, fo genannt von dem VVohnfit:ze des Lord W. Cowper bei Hertf0rd, wo
sich das Bild befindet. WVenn man bei aller Meifierfehaft der Technik von der
Sedia fagt, dafs die Schatten für das farblofe Bilds zu tief gehalten feien, dafs
das unnachahmliche Prof1l der Nafe jeder Reproduction fpottet, und von der
Bella Tizian,s, dass die etwas harte Zeichnung des Kopfes nicht auf der Höhe
des Pcupend getroffenen Beiwerkes sieht, fo fchweigt gegenüber der jüngsten Pus
blication des greifen Meisters alle und jede Kritik. VVie fein und sinnig sind die
Strichlagen gewählt, wie delicat sind sie ausgeführtI Die Z,ierlichkeit des Cons