PLASTIK
UND
MALEREI.
als ob die Kluft minder gr0fS wäre, die unfer heutiges Sein und Denken von der
lxVelt der Hellenen trennt. Eine fo1che Natur ist Adolpl1 Hildebrand. Thon
waldfen7s f1tzender Scl1äferknabe mit dem Hunde, der Inbegriff keufcher Anmuth,
holder Natiirlichkeit und edler F0rmvollendung unter den plaPcifchen VVerken
der Neuzeit,. ist nicht schöner als Hildebrand7s fchlafender Hirtenlcnabe, der fanft
hingeg0ffen dafitzt, rückwärts gegen den BaumPcamm gelehnt, in holdem Schlums
mer. Ungefucht, fchlicht und dabei bezaubernd lind die Motive der Haltung:
der linke Fufs v0rgefireckt, der rechte angezogen, im rechten Arm der IsIirtcns
Hab, der linke läff1g herabhängend. Zarte Jugendlichkcit bei vollendeter Bildung,
feine Naturbelaufchung, f1chereS F0rmverPcändnifs wirken hier zufarnmcn. Uns
It
mittelbarkeit des NaturgefÜh1s, Unfcl1uld und Grazie verbinden f1ch mit voller
Kraft und Gefundheit, kein Zug des GefallfÜchtigen fpielt hinein. Vielleicht iPr
die hintcre Linie des Halfes und des Nackens etwas zu stark, doch nur diefer
kaum merkliche Einwand lässt f1ch gegen die herrliche Durchbildung der Gel1;a1t
erheben. Die charakteristische Behandlung der festen wie der weichen Partien
des Körpers, die feine Brechung der Flächen an Leib und Hüften, die Indjvis
dualif1rung und vollkommene Durchgeifkigung des ganzen Baues find bewunderns
werth. Bei gröfster Gediegenheit und Vollendung der Marmorausführung bleibt:
doch jedes Prunken mit der Technik als folcher fern, und der erquickende Eins
druck diefer Schöpfung wird erhöht durch den warm goldigen Schimmer, den
der Künstler dem Marmor zu geben gewufst hat. Das edle Korn des Materials
wirkt ungetrübt, aber das kalte, todte Weifs if: vermieden, über die Schöpfung
ist ein woh1thuender Hauch des Lebens ergoffen.
Von einer andern Seite und zwar nicht minder geilIvol1 und trefflich zeigt
II.
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