Volltext: Kunst und Kunstgewerbe auf der Wiener Weltausstellung 1873

 
PLASTIK 
UND 
MALEREI. 
noch durch mehrere treffliche Portraitbüsten und Reliefs vertreten. Endlich zog noch 
ein Münchener Bildhauer von entfchiedenem Talent, aber oft auf bedenklichem 
Wege, die Aufmerkfamkeit an: Michael Wagmüller, dessen Entwurf zu einem 
Nationaldenkmal fcl1on unter den ConcurrenzsEntwürfen für das NiederwaldsMonus 
ment in Berlin zu sehen war. Die 1nalerifche Verwilderung ift hier auf die äufserfte 
Spitze getrieben, manche kühnen Ausfchreitungen von Reinhold Begas find noch 
übertrumpft, von defse11 krönender Gruppe auf der Berliner Börse ift die VVinds 
mühlentlügelsArmstreckung der HauptHgur entnommen, zahlreiche leichte Pers 
fonen, die aus früheren Bildern Makart7s entlehnt fein könnten, treiben am Pies 
destal ihre Gaukelei. Von hier ist nur ein Schritt bis zu dem clrolligen Zuckers 
bäckerstil jener Z0pfm0numente, welche auf dem Graben in Wien nnd auf dem 
Marktplatz in Mannheim zu Ehren Gottes ftehen. Dagegen find ein Paar Genres 
stücke, die kleine Br0n7.e eines Mädchens mit einer Eidechfe, das in Marmor auss 
geführte junge Mädchen, welches mit einem Kind auf feiner Schulter fpielt, trotz 
der ijbertriebenen malerifchen Gewandbehandlung liebenswürdig, keck und lebens 
dig, und ebenfo Hott wie geistreich tritt uns endlich Wagmüller in mehreren Pors 
traitbüften, darunter derjenigen von Paul Heyfe, entgegen. 
Von den Bildhauern 0efterreichs haben wir zwei der bedeutendsten, Zums 
bufch und Kundmann bereits erwähnt. Von Fernkorn war noch das Modell 
feines bereits 1860 enthüllten Reiterbildes des Erzherzogs Karl, von dem vers 
storbenen Hans Gaffer ein Ganymed in Bronze zu sehen. Otto König ers 
freute durch mehrere launige und geistreiche Figuren in kleinem Mafsftabe, Vins 
cenz Pilz bewahrte f1ch als einen productiven, feine Aufgaben kühn und kräftig 
angreifenden Künltler. Da fahen wir mehrere Denkmalsentwürfe, die er bei 
Concurrenzen eingefendet hatte, ohne jemals den rechten Erfolg zu haben, und 
doch hätte namentlich feine GoethesSkizze sfür BerlinJ entschieden mehr Beachs 
tung verdient. Man hatte Recht, das zu weit Greifende des Programms zu 
tadeln, den fchwungvollen Aufbau und die wahrhaft plaftifche Anlage hätte man 
aber nicht verkennen follen. Mehrere gr6fsere Modelle führten uns einige der 
lebenSvollen hift0rifchen Bildnifsf1guren aus dem Veftibul des Arfenals und von 
der Elifabethbrücke vor. 
Nicht im Ausftellungspalaft, wohl aber gleichzeitig im 0esterreichifchen 
Museum fanden wir Arbeiten eines jungen deutfchen Bildhauers ausgeftellt, die 
Alles übertreffen, was die Ausftellung felbft an plaftifchen Darstellungen bot. 
Diefer Künstler ist Adolph Hildebrand aus Jena, jetzt in Italien.  
Wir wiffen nur zu gut, dafs die Plaftik nicht in dem Mafse wie die Malerei 
im Stande ist, der modernen EmpHndungsweife als Organ zu dienen und den 
Inhalt des heutigen Lebens auszusprechen. Ihre ganze Existenz Hi heut eine bei 
dingte, dem Bildhauer fehlt das entgegenkommende Verftändnifs des Volkes, 
wenn er das eigentliche Ideal feiner Kunst offenbaren will, ja noch mehr, er 
felbst vermag dieiwahrhaft plastifche Empfindung nur felten harmonifch auszus 
bilden uncl rein zu bewahren. Um fo freudiger müfsen wir deshalb eine echt 
plaltifch fühlende und geftaltende Natur begrüfsen, die, wahrhaft vom Hauche 
des Genius berührt, durch alle Hemmniffe ahnungslos ihren Weg verfolgt, fo 
f1cher, als ob es nicht anders fein könnte, als ob ein anderer Himmel uns lächelte, 
L 

	        
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