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PLASTIK
UND
MALEREI.
wie in der ,,BeichteU, einem Blatte mit nur zwei kleinen Figuren, der Dame in
Schwarz, die, tief erregt, belcennt, und dem Priester, der ernst, voll geistiger
Würde mit dem Blick ihr Innerstes durchdringt. Auch in zwei Kinderporträten
ist Passini ebenso einfach wie liebenswürdig, und hier, wie stets, bei vollendeter
Meisterschast und GraZie des Vortrags ohne die leiseste Gefallsucht.
Die österreichischen Maler, von denen wir bisher gesprochen, sind meist
deutscher Abstammung oder haben wenigstens alle deutsche Bildung genossen.
Dagegen war auf der Ausste1lung eine ungewöhnliche Erscheinung vorhanden, in
der sich, in Gesinnung und in künstlerischer Erziehung, eine andere Nationalität
mit voller Entschiedenheit ausspricht: der Pole Jan Matejk0 aus Krakau.
Er erschien in diesen Räumen als fremdartige Natur, trat aber dabei wuchtig
genug auf, mit sechs Bildnissen und vier grossen Geschichtsbildern. Diese bei
herrschten den Saal, in welchem sie hingen, vollständig, indem die deutschsöfters
reichischen Maler ihnen nichts an die Seite zu setzen hatten, was an Umfang
und mächtiger Charakteristik auch nur entfernt l1eranreichte. Für meine Ems
pfindung wirkten die Bildnisse am besten, ganz besonders das Porträt eines schwarz
gekleideten Gelehrten von ausgesprochen slaviscl1em Nationaltypus, geistvoll,
höchst individuell und Von geschl0ssener malerischer Haltung. Noch mehr zog
das Porträt einer schwarz gekleideten Dame mit weissem Spitzenkragen und
blonden Locken, efsectvoll sich von einem ziemlich hellen TeppichsHintergrund
abhebend, die Augen aus sich. Das magere, etwas verlebte Gesicht, das Aristos
kratische der T0urnure wirken fesselnd und pikant, nur die gar zu männlichen
Hände fallen auf. Ein anderes Damenbildniss stösst durch den unangenehm
violetten Fleischton ab. Eine Gruppe von drei Kindern macht den Eindruck
des ausSerordentlich Naturwahren und Cliaralcteristiscl1en; aber wie ist es möglich,
Kinder so anmuthlos aufzufasseni Dass bei dem Künstler neben vielen ganz emis
nenten Eigenschaften doch die Grazien ausgeblieben sind, ist das Resultat, das
seine historischen Gemälde bestätigen. Das unerfreulichste derselben ist Kopernicus
natürlich in seiner Eigenschaft als P0lel der in ziemlich leerer, theatralischer
Begeisterung auf seiner Sternwarte einen Mo11olog hält, das bedeutendste eine
Predigt des Jesuiten Skarga, welcher auf seine vornehmen Zuhörer einen ers
schütternden, in jedem Charakter sich mächtig ausprägenden Eindruck hervors
bringt. Aber auch dies Bild hat eine störende Eigenschaft, über die man sich
nicht hinwegsetzen kann, den ungesunden violetten Ton, den auch Matejko7s
berühmtes Bild im Belvedere, dem keines der im Prater ausgestellten gleichkommt,
die polniscl1e Reichstagsscene, besitzt.
In den beiden neuen grossen Bildern hat sich Matejko darüber hinausgears
beitet, aber auch hier ist die malerische Haltung keine glückliche. Eine übers
raschende Brav0ur tritt in jedem einzelnen Zuge hervor. sie rundet die Figuren
meisterhaft ab und lässt sie plastiscl1 heraustreten, sie beherrscht die Farbe zum
Zwecke naturalistischer Wirkung, sie glänzt in der Stoffmalerei. Aber das Ganze
erscheint iiec1cig und unharmonisch, ohne jede Ahnung von der abgewogenen
Lichts und Schattenwirkung, die allein das Bild zum Bilde machen kann, ohne
wahre Existenz der Figuren im Raume, ol1i1e eigentliches stilgefühl. In dem
Allen offenbart sich gerade bei so mächtiger künstlerischer Kraft ein Zug des