Volltext: Kunst und Kunstgewerbe auf der Wiener Weltausstellung 1873

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PLASTIK 
UND 
MALEREI. 
ist doch lediglich durch die Reslexion eingegeben. Das ganze Bild befstzt nicht 
einen tiefer befcelten, von geistigem Leben durchdrungenen, unmittelbar zur 
Empfindung fprechenden Zug. Und ebenfo waltet auch in dem Machwerlc 
das Recept Vor: viel Virtuof1tät, viel Geschicklichkeit in der Anordnung, viel 
Kraft und Brav0ur in der Farbe; diefe aber ahmt zur Hälfte Rubens, zur Hälfte 
die Venetianer nach, jedesmal mit HinZunahme des vergilbten Firniffes alter 
Bilder; von origineller coloristifcher Auffaffung ist keine Spur. Canon ist ein 
glänzendes Talent, wenn es für decorative Zwecke zu fchaffen gilt; manche 
EinzelHguren, welcl1e diefer Gattung anzugehören fcl1einen, namentlich die grofse 
Gestalt eines Jägers im Costüme der Vorzeit, zeigten auch jetzt wieder, was er 
kann. Aber hiermit und mit einigen gelungenen Portraits ist feine Bedeutung 
erfch6pft. 
Unter den übrigen Bildern grofseren Formats verdienen die längst bekannte 
svRuhende Bacchantinci von Felix, ein in glühendem Colorit gehaltenes Bild aus 
dem Volksleben Italiens, vTaubenopfercc, von Jofeph Fux Erwähnung. Von 
Bildniffen fielen, neben manchen guten Arbeiten anderer Künstler, noch zwei 
durch eine gewiffe Eigenthiimlichkeit auf, ein junges Mädchen von Rudolph 
Huber, in fein labgew0gener Haltung beinahe farblos, offenbar höchst charaks 
teristisch; von Eduard Charlemont eine Gruppe von zwei Knaben im CostLjm 
des 17.Jahrhunderts, bei grosser Fähigkeit, das Malerifche der Erscheinung festzus 
halten, doch von etwas zu weitgehender decorativer Breite. 
Die Gefammtwirkung der österreichischen Ausstellung biifste viel dadurch ein, 
daf5 Hans MalcartTs letztes grofses Bild, Venedig der Katharina Cornaro 
huldigend, nicht in ihren Sälen zu fel1en war. Da dies Werk abersgewiffers 
Inafsen nur durch Zufall hier fehlte und gleichzeitig in Wien an anderem Orte 
ausgestellt war, mufs es jedenfalls mit in Betracht gezogen werden. 
Uns Allen ist es noch frifch im Gedächtnifs, wie Makart vor wenigen Jahren 
mit feiner ungewöhnlichen c0loristifchen Begabung als ein Phänomen auftrat und 
von der einen Seite eine geradezu leidenfchaftliche Bewunderung, von der 
anderen einen nicht minder erregten Widerfpruch erfuhr. Unmittelbar nachdem 
feine ,,Pest in FlorenzU aller Orten in Deutschland eine fo seltene Wirkung ges 
macht hatte, geschah das Ueberrafchende, dass sie in Paris von der Jury des 
Salons zurückgewiefen wurde. Keine Priiclerie lag dem zu Grunde, wie man es 
fich meiftens in Deutschland eingebildet, f0ndern ein rein kLinstlerifches Urtheil. 
Die Mängel der Zeichnung, die Willkür und die ungeniigende Durchbildung der 
Form waren für das Auge der Franzofen, denen gediegene Kenntnifs.der 
Form die erfte Vorbedingung des ki.inftlerifchen Schaffens ist, fo anstöfsig, dafs 
keine noch fo glänzende Eigenschaft anderer Art sie das Unzulängliche diefer 
Arbeit übersehen laffen konnte. 
Das muss man nun unbedingt dem neuen XsVerke zugestehen, dafs es in 
dieser Beziehung bedeutende Fortschritte zeigt. Jene abfolute Gleichgiltigkeit 
gegen alles Gegenständliche, gegen Inhalt und Gestalten, wie damals, finden wir 
hier nicht mehr; jenes ausfchliefsliche Gefühl für das harmonische Zufammens 
klingen der Farben an fich, das  nach Liibke7s Ausdruck  diefelbe Wirkung 
thun wurde, wenn man das Bild auf den Kopf stellte, ist hier in bestimmte 
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