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PLASTIK
UND
MALEREI.
ist doch lediglich durch die Reslexion eingegeben. Das ganze Bild befstzt nicht
einen tiefer befcelten, von geistigem Leben durchdrungenen, unmittelbar zur
Empfindung fprechenden Zug. Und ebenfo waltet auch in dem Machwerlc
das Recept Vor: viel Virtuof1tät, viel Geschicklichkeit in der Anordnung, viel
Kraft und Brav0ur in der Farbe; diefe aber ahmt zur Hälfte Rubens, zur Hälfte
die Venetianer nach, jedesmal mit HinZunahme des vergilbten Firniffes alter
Bilder; von origineller coloristifcher Auffaffung ist keine Spur. Canon ist ein
glänzendes Talent, wenn es für decorative Zwecke zu fchaffen gilt; manche
EinzelHguren, welcl1e diefer Gattung anzugehören fcl1einen, namentlich die grofse
Gestalt eines Jägers im Costüme der Vorzeit, zeigten auch jetzt wieder, was er
kann. Aber hiermit und mit einigen gelungenen Portraits ist feine Bedeutung
erfch6pft.
Unter den übrigen Bildern grofseren Formats verdienen die längst bekannte
svRuhende Bacchantinci von Felix, ein in glühendem Colorit gehaltenes Bild aus
dem Volksleben Italiens, vTaubenopfercc, von Jofeph Fux Erwähnung. Von
Bildniffen fielen, neben manchen guten Arbeiten anderer Künstler, noch zwei
durch eine gewiffe Eigenthiimlichkeit auf, ein junges Mädchen von Rudolph
Huber, in fein labgew0gener Haltung beinahe farblos, offenbar höchst charaks
teristisch; von Eduard Charlemont eine Gruppe von zwei Knaben im CostLjm
des 17.Jahrhunderts, bei grosser Fähigkeit, das Malerifche der Erscheinung festzus
halten, doch von etwas zu weitgehender decorativer Breite.
Die Gefammtwirkung der österreichischen Ausstellung biifste viel dadurch ein,
daf5 Hans MalcartTs letztes grofses Bild, Venedig der Katharina Cornaro
huldigend, nicht in ihren Sälen zu fel1en war. Da dies Werk abersgewiffers
Inafsen nur durch Zufall hier fehlte und gleichzeitig in Wien an anderem Orte
ausgestellt war, mufs es jedenfalls mit in Betracht gezogen werden.
Uns Allen ist es noch frifch im Gedächtnifs, wie Makart vor wenigen Jahren
mit feiner ungewöhnlichen c0loristifchen Begabung als ein Phänomen auftrat und
von der einen Seite eine geradezu leidenfchaftliche Bewunderung, von der
anderen einen nicht minder erregten Widerfpruch erfuhr. Unmittelbar nachdem
feine ,,Pest in FlorenzU aller Orten in Deutschland eine fo seltene Wirkung ges
macht hatte, geschah das Ueberrafchende, dass sie in Paris von der Jury des
Salons zurückgewiefen wurde. Keine Priiclerie lag dem zu Grunde, wie man es
fich meiftens in Deutschland eingebildet, f0ndern ein rein kLinstlerifches Urtheil.
Die Mängel der Zeichnung, die Willkür und die ungeniigende Durchbildung der
Form waren für das Auge der Franzofen, denen gediegene Kenntnifs.der
Form die erfte Vorbedingung des ki.inftlerifchen Schaffens ist, fo anstöfsig, dafs
keine noch fo glänzende Eigenschaft anderer Art sie das Unzulängliche diefer
Arbeit übersehen laffen konnte.
Das muss man nun unbedingt dem neuen XsVerke zugestehen, dafs es in
dieser Beziehung bedeutende Fortschritte zeigt. Jene abfolute Gleichgiltigkeit
gegen alles Gegenständliche, gegen Inhalt und Gestalten, wie damals, finden wir
hier nicht mehr; jenes ausfchliefsliche Gefühl für das harmonische Zufammens
klingen der Farben an fich, das nach Liibke7s Ausdruck diefelbe Wirkung
thun wurde, wenn man das Bild auf den Kopf stellte, ist hier in bestimmte
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