Volltext: Kunst und Kunstgewerbe auf der Wiener Weltausstellung 1873

DEUTSCHLAND, 
0ESTERRElCH 
UND 
UNGARN. 
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In der österreichischen Abtheilung der VVeltausstellung vermisSte man 
noch mehr als in der deutschen die Geschlossenheit der Entwickelung und der 
künPclerischen Ausbildung. Die Verschiedenheit der Nationalitäten, welche diesen 
Staat bilden, hat an sich schon die Folge, dass die Einzelnen sich bald von dieser, 
bald von jener Richtung und Schule angezogen fühlen. Immerhin iiberwiegt das 
deutsche Element, und unser modernes deutsches Kunstleben wäre lückenhast, 
wenn wir nicht das, was Oeskerreich hervorgebracht hat, mit hinzurechnen 
könnten. Nur in der österreichischen Abtheilung sanden wir heute noch eine Ers 
innerung an jenen grossen Umschwung in der deutschen Kunst, welchen cjornes 
lius und Overbeck am Anfang dieses Jahrhunderts durchsetzten, in den VVerken 
von Joseph Fu l1 rich, der einst als einer der bedeutendsten und selbständigPcen 
Nachfolger aus 0verbeck7s Bahnen weiterging. Nicht sowohl zwei kleinere Ges 
mälde, die in der Farbe gar zu sehr den heutigen Ansprüchen gegenüber zus 
rLjckbleiben, als zwei grosse Kartons: das jüngste Gericht und der Sturz der Vers 
dammten, zeigten sein mächtiges Compos1tionstalent, und am anziehendPcen tritt 
er uns als Illusi:rator entgegen, ebenso sein Stilgesiihl wie seine s1nnige Erfindung, 
seine milde Gesijhlswärme ossenbar.end, in den Zeichnungen zur Nachsolge Christi 
und zur Parabel vom verlorenen Sohn. 
Eine ebenfalls schon abgeschlossene Epoche vertraten die FrieScomp0s1tionen 
sur die Universität in Athen von dem verstorbenen Carl Rahl, der unter den 
Meistern des idealen Stils es wie kein Anderer verstand, auch die Farbe zu mos 
numentalen Zwecken auszubilden und Hand in Hand mit der Architektur zu 
schaffen. Dass diese Eigenschaften, dass überhaupt sein Geist und sein Stil noch 
immer in seiner Schule lebendig sind, wurde aus der AussXellung durch die Farbens 
skizzen von Griepenkerl sur den Sitzungssaal der Akademie der VVissenschasten 
in Athen bewiesen. 
Einer der geif7cvollften und bedeutendsten unter Wiens modernen Malern ist 
Heinrich von Angeli. Von neuem fah man hier diejenigen Bilder von 
feiner Hand, die feinen Ruhm begründet haben, das dramatifchsbewegte, meiiters 
lich durchgebilclete Genrebild nDer Rächer feiner Ehren und das VOMCl1me 
Portrait einer fchwarZgek1eideter1 Dame; noch ein kleineres italienifches Genres 
bild: ein Geistlicher, welcher einem VVeibe aus dem Volke die Abfoluti0n vers 
weigert, und mehrere Bildniffe kommen hinzu. Feuriger Schwung, hinreifsende 
Genialität find eigentlich nicht Angelils Eigenschaften, wohl aber eine nach jeder 
Seite hin ausgebildete Meifierfcl1aft in Farbe, Form und n1alerifcher Auffaffung. 
Dem gr6fseren wie dem kleineren Mafsftabe bequemt er fIcl1 fjilcJoll an; dort 
gelingt ihm eine gediegene N0bleffe, hier eine reizvolle Eleganz; die feine 
Durchbildung jedes Details, die meifierhafte Stoffmalerei treffen mit aufsers 
ordentlicher Sicherheit der ExiPcenz aller Figuren im Raume zufammen. Das 
neben behauptet sich aber der dramatifche Gehalt der dargeftellten scenen, der 
Ausdruck der Empfindungen und Leidenfchaften in ungefchrnälerter Kraft, mag 
auch immerhin die kühle Befonnenheit, mit welcher Angeli die n1alerifchen 
Mittel handhabt, etwas von ihrem VVefen auf die geistige Auffaffung übertragen. 
Unter Angeli7S Bildniffen erblickten wir auch das Portrait des Kaifers Franz 
J0feph in ganzer, lebensgrofser Figur, welches durch feine flilvolle Schlichtheit 
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