Volltext: Kunst und Kunstgewerbe auf der Wiener Weltausstellung 1873

II   
L, 
PLASTlK 
UND 
MALEREI. 
thLimliche Auffassung des biblischen Stoffes hat allerdings bestimmte Grenzen, 
über die Gebhardt immerhin nicht hinauskommt, aber jedenfalls war auf der 
Ausstellung kein zweites religiofes Bild von so warmer, gemüthvoller und origis 
iieller Empfindung vorhanden. 
Seit mehreren Jahren find ferner bereits bekannt: die ruhende Nymphe im 
VValde voii Ferdinan d Scha u ss, im Vortrag vielleicht nicht felir kräftig, aber 
in der Stimmung sein, dabei bemerkenswerth durch die mafsvolle Beliandlung 
des Nackten, die nicht sowohl den beriicl1tigten Miihler7fchen I3annstrahl, als den 
Ankauf voii Seiten der VViener Akademie begreiflich macht; dann auch Heu ii es 
berg7s s:Jagd nach dem Glücks, eine der besten neueren Erwerbungen der Nas 
tiona1sGalerie in Berlin. Es gewährte ein besonderes Interesse, wieder vor diefes 
Bild Zu treten, nachdem man eben auf der französischen Seite Sir0uy7s Ges 
mälde gleichen Gegenstandes gefehen. Es kann kein Zweifel darüber bestehen, 
dass der deutsche Künstler den Vorwurf ungleich geistvoller, schlagender, origis 
1ieller gefafst hat. Der Kriegsmann zu Ross, der mit verhängtem Zügel auf 
fchwindelnder Bahn dem lockenden Truggebilde nachjagt, über den Körper des 
geliebten Weibes hinweg, das ficl1 ihm warnend in den Weg geworfen, während 
ein zweiter Reiter, der Tod, ihn bereits einholt und der Boden im nächsten 
Augenblick unter ihm schwinden wird: das ist treffend und mit fchlagender Vers 
ki5rperung des allegorifclien Motivs erfunden, im Geiste der deutschen Kunst des 
I6. Jahrhunderts, die sich mit Vorliebe in f0lchen Toclespliaiitafie1i erging, aber 
zugleich wieder neu und eigenthümlich. Und doch wird es vielen, die erst dies 
Photographie und dann das Original kennen lernten, ähnlich ergangen fein, wie 
mir selbst. Icli fand nicht Alles, was ich erwartet hatte. Bei sicherer Meifterschaft 
in der Farbe klebt dieser doch zu sehr die Schwere des Materielle1i aii; das 
phaiitastifche Element hätte in Vortrag uiid Lichtwirkung zur Geltung kommen 
müssen. Sirouy7s glül1endes Colorit trifft eher den richtigen Ton. ln der Ges 
stalt der Glücksgijttin felbst haben fich weder der Franzofe noch der Deutsche 
hinreichend über das Conventionelle erhoben.  
Eine neue lcrscl1eiiiz.nig bot uns August von Heyden in seiiien XVals 
kyren, die über das Sclilachtfeld reiten, voll Schwung in der Erfindung, aber 
nicht bedeutend und mächtig genug in Formen und Ausdruck. Heyden tritt 
uns viel anziehender und ganz anders der Sache Herr in feinen kleineren Ges 
mälden gegenüber, dem fein gestimmten vFesttagsniorgenci aus der Berliner Nas 
tionalgalerie und der ,,PrinZeffin ClemenceH, welche die Bedingung erfüllt, sich den 
Abgesandten des Königs von Frankreich, der um fie wirbt, nackt zu zeigen. 
Ein eigener, gefährlicher Vorwurf, der nur claim wahrhaft künstlerifch verwerthet 
werden kann, wenii der Maler ihn mit vollem, fchliclitem Ernst, ohne den leifes 
sten AnHug des Gefallfüclitigen und Sinnlichcn giebt. Das aber hat August von 
Heyden durchaus verstanden; feine Auffassung ist das ai1sgefprocl1eiie Gegentheil 
von derjenigen Gerome7s in der oPhryne vor den Richterncc, in welcher das 
widrige Aufwallen der Lüsternheit und das Speculiren auf solche den Ton ans 
geben. Mit ruhigem Adel tritt die völlig entkleidete PrinZeffin aus dein Vors 
liang, der ihr Lager unifcliliefst, hervor; ehrfurchtsvoll laffeii die Abgesandten, 
der älteste knieend, ihre Augen auf dem schonen Weibe ruhen, wie auf einem
	        
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