Volltext: Kunst und Kunstgewerbe auf der Wiener Weltausstellung 1873

 
PI,ASTIK 
UND 
MA LEREl. 
I 
Verräther, Gefangene in ihren Banden und aufgeregte Weiber aus dem Volke, 
ein greiser Barde, den ein römischer Soldat liöhnend am langeii Barte zupft, ein 
Bär an der Kette, der dem Zuge vorausgefijhrt wird. Ausdringlich bis zum 
Widerwärtigen baut sich links im Vordergrunde Zu den Füssen der ehernen 
Wölfin ein Haufe, von Beutestücken, Gefässen, Kostbarkeiten und niedergesuns 
kenen germa11ischen Priestern empor. Ueberall entfalten sicli gewaltige Massen 
von Draperie1i. Die Geschicklichkeit in der Bewältigung dieses Aufwandes, die 
Bravour in der PinfelfLihrung entsprechen dem, was man Von Piloty7s bewährter 
Kraft erwarten kann. Wirksam ist die Dämpfung des Sonnenlichtes durch das 
ausgespannte Zeltdach zur Anschauung gebracht, malerisch effectvoll sind bei 
sonders die ferneren Partien, namentlich die Gruppe uni den Triumphator selbst, 
der in der Ferne die Siegesstrasse einhergezogen kommt. Und doch steht nicht 
einmal die Farbe auf Piloty7S voller Höhe, der Vortrag hat etwas Flaues und 
Unkräftiges; nicht nur die Formen sind ungenügend durchgebildet, auch im Ton 
ist das Fleisch ohne Walirheit; freilich  wesshalb sollen Damen der Art, wie sie 
hier vor uns Parade machen und nach Blicken hasche11, nicht auch gesch1ninkt 
seinF Man empfindet hier fast eine Sehnsucht nach der satten und glänzenden 
Stosfmalerei, in der sonst Piloty das Beste leistet. Es ist, als hätte er diesmal 
sich in jenem Spiel der Töne, das, ohne sich um das Gegenständliche zu kums 
mern, rein um seiner selbst willen da ist, versuchen wollen, wie wir es von seinen1 
Schüler Makart kennen. Zugleich sehen wir manche Eigenschaften des Kauls 
bach7schen Stils: den grossen Aufwand an Mitteln zum Aufbau einer reichen 
Composition, das Streben nach rein sinnlicliem Effect, besonders bei den weibs 
lichen Gestalten, den zur Schau getragenen Schein der Grösse, nur dass Piloty 
alle diese Elemente nicht in dem Masse wie Kaulbach durch den Rhythmus der 
Linien zu bändigen im Stande ist. Alles in Allem gerechnet, hat Piloty dem 
historischen Gegenstande doch nur den Vorwand zu einem prunkenden operns 
haften Aufzuge entnommen. Manche kühlen und nLichternen Geschichtsbilder 
der Franzosen sind uns daher viel lieber, denn sie enthalten weit mehr Wahrheit 
der Handlung, weit mehr sachlichen Ernst. 
Ueber der Thur zu den deutschen Sälen hing: vNero, das brennende Rom 
betrachtendu von Ferdinand Keller in Karlsruhe. Auch hier muss man die 
Wahl eines malerischen Stoffes für ein historisches Situationsbild, das Streben 
nach energischer und reicher Farbe anerkennen. Aber dem coloristifchen Eins 
drucke fehlt es an feinerer Abwägung, die Farbenpracht drängt sich.zu abs 
sichtlich aufs, während uns auch hier wieder klar wird, wie sehr die deutschen 
Versuche einer Malerei höheren Stils im Nachtheil gegen die französischen durch 
den Mangel an rechter Beherrschung der Form find, welche die schwerfälligen 
und anspruchsvollen Weiber zu den Seiten des Imperators, der hässliche nackte 
Flötenb1äser im Vordergrunde zu auffällig vermissen lassen. 
Gerade im Vergleich mit dem neuen Bilde von Pi10ty kann man der 
Schöpfung von Gustav Richter, mag man gleich ihre Grenzen kennen, den 
Respect nicht versagen. Sein ssBau der Pyramidencc zeigt nicht entfernt so viel 
Leichtigkeit der Mache, aber ein viel gediegeneres Studium, ein ernPceres Durchs 
arbeiten der Form, die sich unter der Schönheit der Farbe nicht verHüchtigt, ein 
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