PI,ASTIK
UND
MA LEREl.
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Verräther, Gefangene in ihren Banden und aufgeregte Weiber aus dem Volke,
ein greiser Barde, den ein römischer Soldat liöhnend am langeii Barte zupft, ein
Bär an der Kette, der dem Zuge vorausgefijhrt wird. Ausdringlich bis zum
Widerwärtigen baut sich links im Vordergrunde Zu den Füssen der ehernen
Wölfin ein Haufe, von Beutestücken, Gefässen, Kostbarkeiten und niedergesuns
kenen germa11ischen Priestern empor. Ueberall entfalten sicli gewaltige Massen
von Draperie1i. Die Geschicklichkeit in der Bewältigung dieses Aufwandes, die
Bravour in der PinfelfLihrung entsprechen dem, was man Von Piloty7s bewährter
Kraft erwarten kann. Wirksam ist die Dämpfung des Sonnenlichtes durch das
ausgespannte Zeltdach zur Anschauung gebracht, malerisch effectvoll sind bei
sonders die ferneren Partien, namentlich die Gruppe uni den Triumphator selbst,
der in der Ferne die Siegesstrasse einhergezogen kommt. Und doch steht nicht
einmal die Farbe auf Piloty7S voller Höhe, der Vortrag hat etwas Flaues und
Unkräftiges; nicht nur die Formen sind ungenügend durchgebildet, auch im Ton
ist das Fleisch ohne Walirheit; freilich wesshalb sollen Damen der Art, wie sie
hier vor uns Parade machen und nach Blicken hasche11, nicht auch gesch1ninkt
seinF Man empfindet hier fast eine Sehnsucht nach der satten und glänzenden
Stosfmalerei, in der sonst Piloty das Beste leistet. Es ist, als hätte er diesmal
sich in jenem Spiel der Töne, das, ohne sich um das Gegenständliche zu kums
mern, rein um seiner selbst willen da ist, versuchen wollen, wie wir es von seinen1
Schüler Makart kennen. Zugleich sehen wir manche Eigenschaften des Kauls
bach7schen Stils: den grossen Aufwand an Mitteln zum Aufbau einer reichen
Composition, das Streben nach rein sinnlicliem Effect, besonders bei den weibs
lichen Gestalten, den zur Schau getragenen Schein der Grösse, nur dass Piloty
alle diese Elemente nicht in dem Masse wie Kaulbach durch den Rhythmus der
Linien zu bändigen im Stande ist. Alles in Allem gerechnet, hat Piloty dem
historischen Gegenstande doch nur den Vorwand zu einem prunkenden operns
haften Aufzuge entnommen. Manche kühlen und nLichternen Geschichtsbilder
der Franzosen sind uns daher viel lieber, denn sie enthalten weit mehr Wahrheit
der Handlung, weit mehr sachlichen Ernst.
Ueber der Thur zu den deutschen Sälen hing: vNero, das brennende Rom
betrachtendu von Ferdinand Keller in Karlsruhe. Auch hier muss man die
Wahl eines malerischen Stoffes für ein historisches Situationsbild, das Streben
nach energischer und reicher Farbe anerkennen. Aber dem coloristifchen Eins
drucke fehlt es an feinerer Abwägung, die Farbenpracht drängt sich.zu abs
sichtlich aufs, während uns auch hier wieder klar wird, wie sehr die deutschen
Versuche einer Malerei höheren Stils im Nachtheil gegen die französischen durch
den Mangel an rechter Beherrschung der Form find, welche die schwerfälligen
und anspruchsvollen Weiber zu den Seiten des Imperators, der hässliche nackte
Flötenb1äser im Vordergrunde zu auffällig vermissen lassen.
Gerade im Vergleich mit dem neuen Bilde von Pi10ty kann man der
Schöpfung von Gustav Richter, mag man gleich ihre Grenzen kennen, den
Respect nicht versagen. Sein ssBau der Pyramidencc zeigt nicht entfernt so viel
Leichtigkeit der Mache, aber ein viel gediegeneres Studium, ein ernPceres Durchs
arbeiten der Form, die sich unter der Schönheit der Farbe nicht verHüchtigt, ein
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