Volltext: Kunst und Kunstgewerbe auf der Wiener Weltausstellung 1873

 
I. 324 PLAsT1K UND MALEREI. 
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,,a vendre,H darf nicht übersehen werden, weil Gemme trotz seiner Gewijhnung an 
kleines Format und feine, miniaturartige Behandlung hier einmal beweist, dass 
er auch lebensgrosse Figuren geschickt und ohne Kleinljchkeit zu bewältigen 
vermag, ist aber auch sonst nichts mehr als eine höchst c0rrecte und lcundige 
Arbeit nach lebenden Modellen, ebenso gefuhll0s wie alles Uebrige. 
Gemme ist eine Erscheinung, welche sur die m0derne .franz6sische Kunst 
höchst bezeichnend ist; aber wenn er auch auf dieser Ausstellung wieder feine 
Rolle spielte, so kann man doch keineswegs sagen, dass diesmal feine Richtung 
mit ihrem bedenklichen Hautg0üt: besonders herv0rgeP1ochen habe, ebensowenig 
wie man behaupten könnte, dass die allerdings gelegentlich vertretene Malerei des 
Nackten mit stark sinnlichem Beigeschmack für den Gesammteindruck der französischen 
Säle besIimmend gewesen wäre. Von dem I871 jung verstorbenen Vict0r Girau d 
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H Halsband und Nad1 o .Caflella11j in Rom. 
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fah man allerdings einen antiken Slclavenhändler, der feine weibliche Waare ans 
preist, in lebensgrossen Figuren. Es ist ein Gegenstand jener Gattung, die Gemme 
in Mode gebracht hat, feinem Inhalte nach beinahe verletzend, doch von grossen: 
ma1erischem Geschick. Da oder dort erblickte man ferner einen nackten weiblichen 
Körper, der theils stehend, theils hingestreckt, feine vollen Reize offenbarte. Nirs 
gend war jene durch Schönheit verklärte Sinnlichkeit, jene zauberhafte Unbefangens 
11ejt der Existenz vorhanden, wie sie die grossen venetianifchen Meister ihren 
Schilderungen unverhii1lter Frauenschönheit aufprägen, aber wir fanden auch nur 
höchst selten ein unlauteres Specu1iren auf den linnlichen Kitzel. Etwas derart 
war allerdings in Jules LesebvreYs liegender Frauengestalt vorhanden, die bei 
bewundernSwerthem Geschick in der Auffassung des Körpers und bei seltener 
Feinheit der Zeichnung ganz der Sphäre des GemeinsLtjsternen angehört. WVenn 
Alexandre Dumas Als, dem dies Bild gehört, an einem solchen Gegenstande 
Gefallen findet, so theilt er diesen Sinn mit dem ve1ssto1sbe11e11 Könige von Wurtten1s 
berg, der einen Raum feiner Wilhelma ganz mit Nuditäten anfüllte; der Unters 
schied ist nur der, dass keine derselben so gut ist wie das Lefebvre,sche Bild. 
Immer besser, wenn diese Hetärenma1erei eine Gattung sur sich bildet, wenn sie, 
um gewisser Studien und Experimente der Künstler und gewisser Privatliebhabereien 
der Käufer willen, gesondert exiPcirt, als wenn sie sich in die Malerei grossen Stiles 
eindrängt und wenn Damen der Ha1bwelt unter der Maske historischer Charaktere 
ausreten, wie das mitunter gerade auf gepriesenen deutschen Gescl1ichtsbildern 
vorkommt. J.J. Les ebvre7s ,,WahrheitU, mit emporgehaltener Fakel, macht den
	        
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