Volltext: Kunst und Kunstgewerbe auf der Wiener Weltausstellung 1873

 
It  
PLASTIK 
UND 
MALERE1. 
hält und mit letzte; Kraft ums 
 fiimmungsv01l und von dLiftes 
wundeter Franzofe noch die Fahne umklammert 
herfpäht, ifk nicht ohne tendenzi6fen AnHug, aber 
rer P0ef1e. 
Neben diesem gefunden Realismus, der mit echt malerischer GefLihlsweife 
verbunden ist, fanden wir aber auch Aeufserungen jenes krankhaften Geistes, der 
sich unter dem zweiten Kaiferreich entwickelt hatte. Die Arbeiten des vielbes 
wunderten Jean Le0n Gc3rome haben unverkennbare künstlerische Qualitäten, 
doch sie sind auf den tiberreiZten und dadurch abgestumpften Sinn einer blaf1rten 
Gesellschaft berechnet. Wenn ich ,,berechnetss sagte, f0 ist dies zwar eigentlich 
zu viel. Die bewufste speculati0n des Künstlers mag bei der Wahl des Stoffes 
wie bei der Behandlung ihre Rolle fpielen, f1e ist aber eigentlich nicht die Haupts 
fache, sondern im Ganzen bewegt f1ch Gemme ziemlich unbefangen in feiner 
Welt. Nur dass er eben nirgend durch ein tieferes inneres Interesse, durch einen 
idealen Zug geleitet wird; dass ihm zweierlei fehlt, ohne das kein echtes künftles 
rifches Schaffen, auch im realiskifchen stile, möglich ist: die Frische und die 
Wärme des Gefühls. Sein Wissen, seine archä0logifchen und ethnographifchen 
Interessen bestimmen ihn, indem er culturhist0rifche Sittenbilder aus dem claff1s 
schen Alte1thum oder Scenen des modernen orientalischen Lebens malt; und 
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wenn er auf diefem Wege vorzugsweife Zu Gegenständen kommt, die theils ftark 
f1nnlich gefärbt, theils furchtbaren und graufamen Inhalts find, fo mag das eben 
nur deshalb gefchehen, weil er zu wenig Feuer, Geift, Gefühlswärme und idealen 
Sinn hat, um. dem Einfachen ein tieferes Intereffe abgewinnen Zu können. Er bei 
f1tZt weder Erfindung, noch Gefühl für Schönheit der Form und für den wahrs 
haft poetifchen Reiz der Farbe. Aber das, was er beobachtet oder durch 
Wiffen und Studium lich zurechtgelegt hat, giebt er mit ungewöhnlicher Ges 
nauigkeit und Schärfe in Gestalten und Oertlichkeit wieder, wie nach der Pl10t0s 
graphie gearbeitet, und bei meist kleinem Format der Bilder fauber, fast gelec1ct, 
allerdings auch leblos und elfenbeinern in den nackten Partien trotz aller Sorgs 
falt der Durchbildung. Gerade bei dieser eleganten Zierlichkeit der Behandlung 
wirkt die Darfiellung des Gräifslichen oder finnlicl1 Erregten, welche bei feuriger 
Kühnheit der Auffaffung und des Vortrags erträglich wäre, oft um f0 vers 
letzender.  
Bereits bekannt ist die Wache am Eingang der Mofchee ElsAffaneyn, an 
der abgefchlagene Häupter aufgefcl1icl1tet und aufge11ängt lind  fe11r frappant, 
aber mit fkumpfer Nücl1ternheit, die um f0 brutaler wirkt, vorgetragen. Dann 
fahen wir ein figurenreicheS Gladiat0renbild, das zu feinem früheren, berühmten 
Bilde ,,Ave Caefar, morituri te salutantH eine Art Gegenftij;:1c bildet. Der f1egs 
reiche Fechter fetzt den Fufs auf den Körper des niedergew0rfenen Gegners 
und fchaut triumphirend umher, während die erregte Zufchauermenge, naments 
lich die Weiber, ihm das Zeichen geben, jenem den GarauS zu machen, und der 
Kaifer dabei gleichgültig I9rLichte verzehrt. Auch hier ift die Rohheit des Ges 
fühls geradezu unerträglich. Ueberlegen find eine 0rientalifcl1e Badefcene, ges 
fliffentlich unfchön comp0nirt, aber mit gut durchgebildetem Frauenk6rper, ein 
in der Stimmung fehr charaktervolles WüPcenbild mit einem Araber neben feinem 
verfchmachtet hingefunlcenen Pferde, endlich eine SpaZierfal1rt des Harems zu
	        
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