II
PLASTIK
UND
MALERE1.
des Freischützens und Plänklercorps vor Paris mit einer Krankhaftigkeit der ganzen
Erscheinung vor uns, die etwas Grauenerregendes hat, und der bleiche Tejnt des
hohlbackigen Ges1chtes geht in furchtbarer Monotonie durch das graublaue Wamms
der Uniform in den tonl0S stumpfen grauen Hintergrund über, ein unheims
liches Ensemble. Das kleine Portrait des Grafen R. in gelbgrauem Rock ist in,
feiner schlichten Facestellung nur so hingeschrieben, der ganze Mann, wie er leiht
und lebt, in sicherer, ruhiger Vornehmheit mit überlegendem und überlegenem
Geiste. Nicht weniger ist in seiner drastischen Art der ,,normannische TypusU ges
lungen. In allen diesen verschiedenen Auffassungss und Behandlungsweisen haben
wir das Gefühl, dass der Künstler seinen Gegenständen vollständig gerecht wird,
und wir sehen ihn mit unbeschränkter Meisterschaft über eine unverbrüchlich
s1chere Technik gebieten, der jedes Mittel recht und jeder Zweck erreichbar ist,
und so mag der Totaleindruck der Bilder je nach der Eigenthümlichkeit der
Dargestellten und der subjectiven Zus und Abneigung der Beschauer mehr oder
weniger anziehend sein: jedes seiner Bilder ist von eigenartigem und fesselndem
1nteresse, ein Lob, welches kaum hoch genug angeschlagen werden kann, An.
ges1chts der Fluth gleichgültiger Menschenabbi1dungen, init denen in ewiger
Mon0tonie und Langweiligkeit die meisten Portraitkünstler unserer Tage die
Ansstellungen überschwemmen, ohne uns für sich und ihre Opfer interess1ren
zu können. Das verstehen die französischen Portraitkünstler fast durchgängig,
und darin liegt ihre grosse Ueberlegenheit.
Man darf auf diesen Umstand keineswegs ein zu geringes Gewicht legen,
denn die Blüthe der Portraitkunst ist von der Blüthe der Kunst grossen Stiles
durchaus nicht zu trennen und ihre nothwendige Voraussetzung. Alle Meister
der grossen Malerei, die auf verheissungsv0llen Wegen gewandelt sind und die
höchste Spitze künstlerischer Entwickelung bezeichnet haben, sind im P0rtrait
gross gewesen, und wo eine hohe Kunst ohne gleichzeitige Blüthe der Portraits
kunst sich gezeigt hat, da war die Frucht taub, die Nachfolge glitt unmittelbar
in den Verfall hinein; So wird uns der Zustand der Portraitkunst innerhalb der
Kunstübung einer Nation zum untrüglichen Massstabe für die Aussichten, welche
sich derselben eröffnen. Eine Nation, welche über eine solche Bildnisskunst vers
fügt, wie die Franzosen, hat in der Kunst noch lange nicht ihr letztes Wort ges
sprochen, auch wenn unter den einzelnen künstlerjschen Erscheinungen und selbst
in überwiegender Zahl unter der Production einer längeren Epoche sich tief
gehende Spuren einer geistigen Ermattung und einer künstlichen Uebers
reizung der Affecte, die nur aus den äusscrlichen Effect losarbeitet, Zeigt. Geht
daneben eine so tüchtige und so solide, vielfach geübte Portraitkunst her, wie in
Frankreich, so bedarf es eben nur etwas veränderter äusserer Verhältnisse, welche
die Ueberreizung herabstimmen und an Stelle des gesuchten einen gewachsenen
würdigen Stoff der Kunst darbieten, um wieder das Grösste erreichen zu lassen,
namentlich wenn durch alle Misswege hindurch s1ch eine so veilseitjge gewandte
und allerseits mit Sicherheit bewältigte Technik erhält, wie das in Frankreich der
Fall ist;.und auch die Concentration und einheitliche Schulung sämmtlicher
künstlerifchen Kräfte, welche durch die überlegene Stellung der Pariser Akades
mie und durch die romische Akademie herbeigeführt wird, kannsim Interesse der
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