Volltext: Kunst und Kunstgewerbe auf der Wiener Weltausstellung 1873

0EFFENTLICHE 
KUN STPFLEGE. 
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einer Naivetät vorwärts, die auf der VVeltausfte1lung stark markirt war. Die deuts 
fchen Siege in dem letzten franzof1fchsdeutfchen Kriege haben einige Schlachtens 
bilder, einige Portraitbilder von, wenn auch achtbarem, doch nicht hervorragens 
dem Werthe hervorgerufen. Sonst war, eine Haupts und Staatsaction aus der 
preufsifchen Gefchichte ausgenommen, kaum ein grofseres Gemälde auf der 
Ausltellung, aus dem hervorgehen würde, dafs man die Pflege der modernen 
KunPc mit den Factoren des Staates und mit den Anforderungen des grofsen 
Stiles in Einklang bringt.  
Während Frankreich durch ein wohlorganif1rtes System von Anlcäufen mos 
derner Bilder dafür forgt, dafs den Anfchauungen der Nation und der kunftges 
bildeten Amateurs vollständig Rechnung getragen wird, fchreitet man durch die 
modernen Abtheilungen der Belvederegalerie in Wien, der neuen Pinakothek in 
München, der modernen öffentlichen Bilderfammlungen in Berlin und Stuttgart, 
ohne die Spur eines überlegten oder organif1rten Syftemes von Ankäufen und Bei 
ftellungen von Staatswegen zu entdecken. Auch bei der Decorjrung von 6ffents 
lichen Gebäuden, ungleich dem in Frankreich bereits sin Uebung bestehenden 
System, fcheut man f1ch , .das, waSsman thutJ, in eine einigermafsen organifche 
Verbindung mit Kunftpflege und Künftlerförderung zu bringen. 
Man fagt immer, der Staat in Deutfchland ift arm, das Volk ist wohlhabend, 
aber nicht reich; es kann nicht befte1len wie in Frankreich. Aber man vergifst 
dabei, dafs die Pflege der grofsen Kunft in Frankreich dazu beiträgt, die Nation 
r,eicher zu machen, und dafs all der Glanz, welchen die franzof1fche Kunftindus 
ftrie entwickelt, die Folge der grofseren Kunftpflege und Kunftbildung ift. ln 
Frankreich weifs man, dafs man mit den Akademien in Paris und Rom, mit den 
Staatsmanufacturen in Sevres und den Gobelinsfabriken in Paris und Beauvai.s 
nicht blofs die Künftler und die Kunft fördert, fondern auch die Nation bereis 
chert un.d das Ausland befteuert. Denn auch das deutfche Reich, trotz feiner 
angeblichen Sparfamkeit, bezahlt die franzöf1fchen Br0nzen und Spitzen, Porzellans 
Waaren und Gemälde fehr theuer  während es aus übelverftandener spars 
famkeit fein Kunftbudget uncl feine Staatsfabriken, wie die Weltausftellung zeigte, 
nicht fo dotirt, um dem franzöf1fchen EinHufs gewachfen zu fein, feine erften 
Akademien verkümmern läfst, für grofse hift0rifc11e Malerei im Dienfte des Staates 
und der Kirche nicht forgt und fein Bauwefen von dem EinHuffe des BeamteI1s 
thumes nicht emancipirt. 
Es fcheint zwar gegenwärtig in kunftgewerblicl1er Beziehung.im deutfchen 
Reiche die Erkenntnifs zum Durchbruche gelangt zu fein, daf.s mit dem Ausmafsc 
des Kunftunterrichtes, wie es bis jetzt üblich war, gebrochen werden, daf.s neue 
Wege betreten werden müffen. Aber es ift unsere volle Ueberzeugung, dafs die 
Kunftgewerbe nicht getrennt von der grofsen Kunft und der KunftpraXis geübt 
werden können,.und dafS, wenn jene gehoben werden follen, auch die Schaden 
in der grofsen Kunft, die f1ch im deutfchen Reiche auf der VViener Weltausftels 
Ums deutlich genug gezeigt haben, befeitigt werden müffen. 
Was Oefterreich in diefem Momente mächtig fördert, ift die gewonnene Eins 
ficht in das, was fowoh1 der Kunft. als der Kunftinduftrie Noth thut, die grofsen 
monumentalen Bauten, die Befreiung der Architektur vo11 der Bureaukratie, die 
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