Volltext: Kunst und Kunstgewerbe auf der Wiener Weltausstellung 1873

DER 
AU5STELLUNGSPLATZ. 
Gebäudecomplcx des Vicekönigs von Egypten, dem türkifchen Wohnhaus, Bazar 
und Kasfeehaus, dem perf1schen Hause, den Buden der Japanesen und endlich 
zu dem grofsen Leinwandzelte der B1umenausstellung. Jenseits eines dürftigen 
Donauarmes, des Heuftadelwafsers, breiten f1ch dann vorzugsweise landwirths 
schaftliche Gebäude aus, dazu die treuen Copien verschiedener Bauernhäuser, wie 
das russ1fche, das s1ebenbürgischsfachs1sche, das fzekler, das kroatische, das 
slavonische, das vorarlberger u. f. w. If. den Plan auf S. 6j. 
Den Mittelpunkt der Industriehalle bildet die Rotunde, welche von einem, 
mit ihr vier grosse zwickelförmige Höfe herstellenden, quadratischen Bau umgeben 
ist. Den Eingang bezeichnet ein prachtvo1les Portal im Stil der römischen 
Triumphbogen, gekrönt von einer allegorischen.Gruppe, nach der SkiZZe Von 
Ferd. Laufberger ausgeführt von Vincenz Pilz. Der flache Bogen, mit we1s 
chem das Portal abfchliesst, vermittelt den Uebergang zu den flachen Wölbungen 
der Halle und zu dem im Aeufseren wenig günstig wirkenden Dach der Rotunde, 
welches hinter und über dem Portal f1ch präfentirt. Bei diesem umgekehrten 
Riesentricl1.ter mit dem doppelten Laternenaufsatz und der vergoldeten und mit 
imitirten Perlen und Edelsteinen besetzten Krone is. die Abbildung, S. I3J, welche, 
an sich ein Meisterwerk der Schmiedekunst, an jener Stelle nur eine höchst 
luxuriöfe Spielerei genannt werden kann, brauchen wir uns nicht aufzuhalten. Uns 
empfängt eine hohe, mässig beleuchtete Vorhalle, die in ihrer Decorirung von 
aufserordentlicl1er VVirkung ist. Decke, Wände und Fussb0den sind durchweg mit 
Teppichen und Möbelstofsen bedeckt, welche in der Pracht gesattigter Farben vors 
züglich zu dem über der Thüre angebrachten Glasgemälde von C. Geyling nach 
Laufberger7s Kompof1tion Es. die Abbildung, S. 8J zufammenftimmen. Da das 
vornehmste kunftgewerbliche Etablissement in Oesterreich, Philipp H aas 8z Söhne, 
hier feinen Ausstellungsraum gewählt hat und durch feine Arbeiten zugleich zeigt, 
wie unser Kunstgewerbe bestrebt ist, die Vorbilder aus alten Zeiten und Ländern 
für die Gegenwart fruchtbar zu machen, wäre in der That eine pafsendere Vers 
wendung dieser Vorhalle des Induftriepalastes nicht zu denken gewefe11.  
Stufen führen von da in die von fanftem Licht erfüllte Rotunde CAbbildung 
folgt aufs. 33J. Die meisten Erbauer von Ausftel1ungspalästen in Hallenf0rm waren 
darauf bedacht, derartige Haupts. und Mittelpunkte Cwenn auch das letztere nur 
in bildlichem SinneJ zu fchafsen und dieselben über das Niveau zu erheben. Ein 
derartig erhöhter Standpunkt, überdies betont durch WefCI1kHCh M011UMentale 
Ausstellungsgegenftände, gewährte Uebers und Durchb1icke, man fah in die bunte 
Welt der einzelnen Schiffe hinab, man vermochte sich im Grofsen zu orientiren. 
Hier ist das Verhältniss umgekehrt, die Sohle der Rotunde ift beträchtlich tiefer 
als die der .Ausstel1ungsgalerien gelegt worden,. wozu man sich genöthigt sah, um 
die Höhe des inneren Raumes in Verhältniss zur Weite desselben zu bringen. 
Diese Rotunde ist bekanntlich ein Wunderwerk der Constrüction. Die das Dach 
tragenden, aus Eisenplatten zufammengesetzten Pfei1er wurden etagenweife gehoben, 
so dass das zuerft fertiggefchmiedete Stück eines jeden jetzt das oberste Stück bildet. 
Ein Gerüst bestand nur für den Ring der Laterne, welcher durch die Radialsparren 
mit dem Pfeilerkranz in Verbindung gebracht wurde. Die innere Dec0ration des Daches 
mit Streifen farbig bedruckter Jute giebt dem Ganzen den Charakter des Zeltes. 
C
	        
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