Volltext: Kunst und Kunstgewerbe auf der Wiener Weltausstellung 1873

DIE 
FRAUENARBEIT. 
stichbordüren, in der Kl6ppelfpitze und in den Webearbeiten zu Enden, oft kins 
difch naiv und grotesk, oft mit Schwung in ernster, einfacher Zeichnung anges 
bracht. Ueberall klingt in den Arbeiten der Norden und der Süden gleichzeitig 
an. Die Nelkenknofpe und die vollerblühte Mohnblume, die Vogel mit dem 
gehobenen Flügel, der Hahn, das springende Böcklein und ähnliche Erscheinuns 
gen, wie wir sie auf den Frauenarbeiten Rufslands finden, und die Farbengluth 
in den reizenden 0rnamenten, die blitzende, flitterdurchwebte Spitze, der Schmets 
terling zwischen funkelnden Sternen und glühenden Blumenblättern, wie wir sie 
im Süden entdecken, liegen auf allen Gewändern bald in mühevoller Arbeit, bald 
leicht und lose hingeworfen, wie im Spiele. 
Von allen diesen Producten der weiblichen. Hausindustrie waren nur die 
Teppiche, die flachen Gewebe, auf der Ausstellung vertreten, mit ihrer bunten 
Farbenpracht und der meist sehr schonen stilgerechten Zeichnung. 
Neben den Arbeiten nationalen Ursprunges brachten die transleithanifehen 
Länder einige unbedeutende und einige unfchone Fraucnarbeiten von Dilettans 
tinnen, darunter manches von überlebter Erfindung. Die Ausstellung des Hauss 
srauenvereines und die des Frauenindustrievereines enthielten der Mehrzahl nach 
echte Dilettantenarbeiten moderner Erfindung, von der fchweren Tuchblun1e auf 
Decken und Polstern bis zu den Bildern aus Gewürzblumen, aus Menfehenhaaren 
und auf Stramin gestickt. Hie und da zeigte sich mitten unter diesen traurigen 
Dingen irgend eine Kante, ein Streifchen, denen die volle Schönheit der nationas 
len Arbeiten eigen war, wie wir sie in der Hausindustrie des Landes gesehen, und 
solche Erscheinungen, nebst guten, praktischen Nutzarbeiten, warfen ein versohs 
nendes Licht auf die ganze Gruppe, in welcher die mannigfachen Verfchrobens 
heiten, die da in allen Geftalten prangten, mit gewöhnlicher Aufdringlichkeit um 
den Vorrang stritten. 
Alles, was wir in Ungarn von den Frauen der verscl1iedenen Volksstämme 
gearbeitet fal1en, das hatte Rumänien, mit dem Glanze und dem Reiehthum 
des Südens überfchüttet, in mannigfacher Gestalt wiedergebracht. Die Ausftels 
lung der Frauenarbeiten des Landes bildete einen Glanzpunkt in dem Raume, 
welchen Rumänien einnahm; da flimmerte, funkelte und blitzte alles, da leuchtete 
die dunkle Farbengluth auf allen Gewändern, und ein reizendes Gewirre von 
golddurchfponnenen Schleiern, seidenen Blumen, Hitterbedeckten Schürzen, von 
Flor und Spitzen, von Silberfäden und schweren, schimmernden Perlgehängen zog 
das Auge des Beschauers auf sich. 
Der Untergrund, die Technik, aus welchen diese blendende Herrlichkeit 
entsteht, sind die des Nordens. Die Leinwand, dicht oder locker gewebt, der 
dunkle Schafwollstoff, hie und da die leichte Seide, wie wir sie in der Bukowina 
gesehen, werden zu den Gewändern verarbeitet, und auf dicfe Stoffe wird mit 
dem Kreuzstiehe in bunten Farben, oder in Flachftiekerei, das Gewirre von B0rs 
düren und Arabesken gezeichnet, das nicht selten den ganzen Untekgku11d be. 
deckt. Hie und da gibt die Technik des Siidens Gastrollen, der Tambourstich 
und die Schnürbenähungen ziehen ihre biegsamen Linien über den Stoff und 
legen sich in reizender Farbenmifchung Zu GeWindcn und Ranken zusammen. 
Erst über djefe, meist einfachen Zeichnungen in anspruehsloser Technik ausges
	        
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