Volltext: Kunst und Kunstgewerbe auf der Wiener Weltausstellung 1873

 
FRAUENARBEIT. 
lung prangte, und half die mannigfachen Spielarbeiten überfehen, die hie und 
da ihren Platz gefunden hatten, die gefchnitzen Kirfchkerne , die Blun1enPcräufse 
aus Mufcheln und ähnliche veraltete, halb vergeffene Dinge, die Ergebniffe nutZs 
los verbrachter MufSezeit. 
Getrennt von dem Ausfte1lungsraume der Schu1s und Frauenarbeiten, drüs 
ben im Induskriepa1aste fe1bfi, waren da und dort noch einzelne weibliche Arbeis 
ten zu finden, die lich von fehr verfchiedenem XxVerthe zeigten. Da waren Flachs 
Pcickereien von eminenter Technik, Hgürljche DarlIellungen von Ange1a Spans 
dari ausgefkellt; wenige Schritte weiter war eine klägliche Haararbeit zu fehen, 
ein Landfchaftsbild, das durch mehrfaches Beftreichen des PapiereS mit Gummi 
oder einem ähnlichen KlebePcoff, und durch Beftreuen der angefeuc11teten Stellen 
mit feingefchnittenen Haarendchen zu Stande gebracht wird. Die Ausftellerin 
des confufen, wirren Dinges, das sich in widerPcrebender Häfs1ichkeit als Lands 
fchaftsbild präfentirte, wies eine Medaille auf, welche sie auf der WeltausPce1lung 
zu London für diefe Gefchmacksabnormität erworben hatte. Aehnlich in Erf1ns 
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dung und ähnlich in Häfslichkeit zeigte sich eine Gefellfchaft von Vögeln aus 
schafw0lle gemacht, kleine borstige Gestalten, die einen ganzen Schrank von 
oben bis unten füllten, und durch ihre traurige Erfcheinung nur von der Mühe 
und Plage erzählten, die f1e gekostet hatten. Glänzend fahen dagegen die Ars 
beiten des Alb ergo dei Poveri zu Genua, die VVeifsstickereien von Pa0lina 
Carnaghi, die geklöppelten spitzen von D0menica Zenn0ro aus. 
Italien hat klarer als manches andere Land gezeigt, welche Gebiete die 
Frauenarbeit berühren darf und welche nicht; es hat die Arbeiten guter Erfins 
dung und guter Technik neben die lcindifchen Experimente von Frauenhand ges 
stellt, und hat dadurch erf1chtlich gemacht, von welchem Reiz und welchem 
Werth die einen, von welcher traurigen, von welcher lächerlichen Erscheinung 
die anderen sind. Leider ist dies letztere den Frauen felbst noch lange nicht 
klar, und die Ausrufe des Entzückens, mit welchen die Befucherinnen der italies 
nifchen AuSftellung die gestickten M0debilder für herrliche Gemälde erklärten, 
machten fast einen ebenfo betrübenden Eindruck wie die Arbeiten felbst. 
Aehnliche Verirrungen, wie wir sie in Italien gefunden, wies die Ausftellung 
des deutschen Reiches auf; nur war hier mit gröberen Mitteln, mit derbes 
rem Material, mit viel ungefchlachterer Technik gekündigt, und dadurch der 
Effect ungleich grotesker als dort. Unter den Frauenarbciten, welche Deutfchs 
land gebracht hatte, waren wenige von Dilettantinnen ausgestellt, fondern meist 
von Firmen, die in hohen Schranken eine bunt durcheinander gewürfelte, stolze 
Prachtausgabe moderner GesclJ.mackSverirrungen darb0ten. Da waren die dicken 
Wollblumen in allen Farben und allen Gröfsen, die gestickten Bilder mit in Oel 
gemalten Gliedmafsen und Gesichtern, welche mit Hintanfetzung aller w0l1lthäs 
tigen Illuf1onen in die stickerei hinein geheftet waren, da zeigten Ach die fcgürs 
lichen Darstellungen in Kreuzstichstickerei, die viereckigen Augensterne und Nas 
fen, die derben Farbenabstufungen und Schlagfchatten von R0tl1 und Blau in 
allen Gef1chtern, und da prangte ein ganzer Garten von grellen, 1ärxnenden Blus 
men in allen Farben, die durch die Prätension abnormer Schönheit einen d0ps 
pelt bedauerlichen Eindruck machten. Was da schon in der einzelnen Arbeit 
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