Volltext: Kunst und Kunstgewerbe auf der Wiener Weltausstellung 1873

DIE 
FRAUENARBEIT. 
wie wenig sie im Stande find, das einfache Rechenexempe1 zu machen, das ihnen 
nachweift, ob das Resultat ihrer Arbeit im Verhältniffe zu der aufgewendeten 
Mühe steht. Es fei hier noch einmal betont, dass die vorliegende Stickerei zu 
den besten ihrer Art zählte; die Zeichnung war gut gewählt, die Ausführung 
kecker als fonsk, die Stiche gröfser, daher die Mühe geringer und der Eins 
druck nicht f0 peinlich, als durchfchnittlich der ift, den folche Arbeiten auf den 
vernünftigen Befchauer machen.  
In dem kleinen Schweizerhaufe, im Parke, waren neben mannigfachen Holzs 
fchnitzereien die Arbeitsproben vieler Schulen ausgestellt, worunter auch die 
mehrerer weiblicher Unterrichtsanstalten zu Hnclen waren. Einzelne dieser Schus 
1en brachten ein reiches S0rtiment der verfchiedenartigsten Nutzarbeiten, und 
die Volksfchule aus dem Aargau fandte einen ausgezeichneten .Lehrplan für 
den Unterricht in den weiblichen Handarbeiten, welchem Plane zufolge die 
Schülerin in einem fechsjährigen Lehrgange mit allen Fächern der Frauenarbeit, 
infofern dieselbe für das Haus und die Familie von unbeclingtem Nutzen ist, volls 
kommen vertraut wird, ohne die Zeit mit jenen. Luxusarbeiten zu vergeuden, 
welche das Programm der meisten Mädchenfchulen bis zum Uebermafse füllen. 
Italien, das Land, welches durch das bunte, reizende Gemisch feiner Auss 
ftellungsobjecte, und namentlich durch feinen vielfach angefocl1tenen Verfucl1, 
die Kunst in bedenklicher Weife zu popularifiren, die Maffe der BefuCl1er für 
sich gewann, Italien hatte auch der Frauenarbeit einen bedeutenden Raum Zuges 
Wiesen, und dort rückhaltlos zur Anfchauung gebracht, was die Frauen des Lans 
des für ausfiellungswerth erachteten. 
Es war eine grofse Zahl weiblicher Schulen vertreten, viele mit ausges 
zeichneten Arbeiten, viele mit Abfonder1ichkeiten merlcwürdiger Art, die geWöh11s 
lich in das Gebiet der Buntsiickerei gehörten, und die auffal1endPcen Ges 
schmacksverirrungen zeigten. In Weifsflickereien hatten das Stabilimento delle 
figlie di Gesu, das Educandato della Miseria, die Giunta municipa1e Zu Mailand, 
die Scuola superi0re zu Modena, das OrfanotroHo di sinigallia die pracl1tv0llllen 
Arbeiten ausgestellt, von we1cl1en wohl hie und da die Zeichnung nicht ganz ges 
lungen, die Ausführung aber tadellos war. Von eben folcher Reinheit und 
Schönheit zeigten sich in vielen Schulen mannigfache NutZEIkbeitC11, I1EM1C11tIiCI1 
Knüpfarbeiten, von denen das Educandato della Miseria ein gutes S0ktiment 
brachte, und Stopfs und Flickarbeiten, in we1che11 die Ausflellung der lfkACHkis 
fchen Schule zu Florenz vor allen excellirte. Sehr traurig fah es dagegen 
hier, wie fchon oben erwähnt wurde, mit den bunten LUXUSEU.bClkCI1 Aus, 
mit den Stickereien in Wolle und Seide, von denen einzelne Schulen I3ilde1s. 
,Landfchaften in Stramin gesliclct und ähnliche Spielereien brachten, in welchen, 
abgefel1en von den verfehlten Motiven, in Wahl und Zufammenllellung der Fars 
ben hie und da unglückliche Eingebungen zu Tage traten. 
Denselben Eindruck, welcher den Gefammtcharakter der Ausflellung mans 
cher Schulen, trotz der guten Nutzarbeiten, die sie brachten, als einen ungünftis 
gen erfcheinen liess, weil die lautsprechendsken 0bjCCkE: die III 7tHS11 Farben 
fchimmernden Arbeiten, nicht nur l1äfslich, sondern oft sogar lächerlich .waren, 
den gleichen Eindruck empfing der Befchauer wieder, wenn er f1ch von den 
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