DAS
KUNsTGEWERBE.
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Imitationen des antiken Schmucks in Italien, deren Beifall die französischen Golds
schmiede nicht ruhen liess, bis sie, wenn nicht den antiken Schmuck selbst, doch
feine formellen Motive in Mode gebracht hatten. Zum anderen war es die Aufs
sindung der antiken Silbergefässe bei Hildesheim, welche einen ausserordentlichcn
Einfluss übte. Eine Reihe verschiedenartiger Silberarbeiten, die sich den Origis
nalen mehr oder minder anschliessen oder auch nur ihre Weise frei verwenden,
bekundeten dies insbesondere bei der gr0ssartigen Ausstellung von Christofle,
dem bedeutendsten Vertreter der französischen Silberfabrikation. Die Ausstellung
dieses berühmten Hauses vertrat in ihrer Vielseitigkeit den ganzen Zweig sowohl
nach den Gegenständen als auch nach den verschiedenen Arten der Decoration
und der Technik. Eine Anzahl Gegenstände von Leuchtern, Candelabern und Tas
felgeräth gehörte noch dem modernen, in den Formen dieses und des vorigen
Jahrhunderts sich bewegenden Genre an; die Fabrik hatte aber absichtlich ihre
neueren Gegenstände und diejenigen, welche mehr der Kunst als dem Geschäft
angehören, nach Wien gebracht. Um so günstiger stellte sich das Urtheil über
ihre Leistungen, die in Feinheit der Arbeit, der Ciselirung, in Behandlung und
Farbe des Silbers, im Email, in der feineren Technik des Tauschirens und Incrus
stirens höchst bewundernswürdig sind. Was wir an den Arbeiten auszusetzen
haben, das ist aber das spezifisch Franzosische, die Willkür der Formen und die
häufige Ueberladung des 0rnaments. Es gab aber auch Ausnahmen, und zahls
reiche Ausnahmen, die in jeder Beziehung reizend und vollendet waren.
Auch der Go1dschmuck hat, wie gesagt, die Richtung zu antjken Formen
angenommen, doch war er im Vergleich zu den eigentlichen,Juwelierarbeiten,
vor denen er zurücktrat, auffal1end gering vertreten. Rein antikis1rten Golds
schmuck sah man eigentlich nur bei einem einzigen Fabrikanten, Emile
Philippe, der sich in verschiedenem Genre bewegt; bei ihm erkannte man.
auch ägyptisc1ie und byzantinische Vorbilder. Derselbe zeigte ferner in klei
nerem ciselirten Silbergeräth nach den Mustern der Renaissance höchst vortreffliche
und vollendete Arbeiten. Der Diamantschmuck dagegen, der von einer Reihe
Aussteller wie Rouvenat, Melleri0, 0tterbourg u. a. materiell glänzend vers
treten war, hielt sich noch allzusehr in naturalistischen Motiven: Blumen, Blätter,
Zweige, Federn, ganz mit Dianianten, hatten bei weitem das Uebergewicht vor
stilisirten Zeicl1nungen. Uebrigens erschien der französische Schmuck nicht bloss
mit Edelsteinen, sondern auch in Verbindung mit Email, mit Cameen und Korallen
äusserst vielseitig; selbst der indische Schmuck mit goldglänzenden KäferHügeln
fehlte nicht.
Die auffallendste und durchgreifendste Veränderung, welche die sranzösische
Kunstindustrie neuerdings erlitten hat, zeigten wohl die glasirten Thonwaaren, und
zwar dadurch, dass die Kunstfaiencen dem Porzellane hinzugefügt worden sind.
Dieses für die Geschichte der modernen Cultur höchst bemerkenswerthe Ereigs
niss, die Wiederaufnahme der alten Faience, müsste so kommen. Die Franzosen
konnten daher nicht zurückbleiben, als die Sache von England und 1talien aus
begonnen wurde. Heute sind ihre Leistungen höchst bedeutend, nach Umfang
wie nach künstlerischem Werthe, aber auch insofern wieder ächt französisch, als
dieser Industriezweig wie ein freies Feld erachtet wird, sich nach allen. möglichen
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