DAS
KUNSTGEVVERBE.
H
II
dem Salon im Geschmack des achtzelinten Jahrhunderts das Speisezimmer im Stil
der Renaissance gesellt hat. Die Tendenz dazu ist allerdings von älterem Datum,
und wir brauchen diesen Stil hier wenigstens nicht mit Nothwendigkelt auf Rechs
nung der neuen Reform zu setzen. Aber wir haben auch auf dem Gebiete der
Decorationsgewebe einer Anzahl Sammets und Seideiistosfe, sowie einiger Tapeten
zu gedenken gehabt, die, im Stil der Renaissance, selbst des Mittela1ters gehalten,
entschieden erst durch die neuen Geschrnacksbestrebungen in den andern Ländern
angeregt worden sind. Und es waren das auf der Ausstellung grade die schöns
sten Leistungen der französischen Sammetweberei. Ebenso hat die kircliliclie Kunst
in gestickten iind gewebten Gewändern, wie insbesondere die reiche Ausstellung
von Henry in Lyon erkennen liess, eine vollkommene Umwandlung in der Richs
tung der mittelalterlichen Reform, wie sie von Deutschland ausgegangen ist, vors
genommen. Selbst die goldenen und silberneii Kirchengefässe iind Geräthc bes
fanden sich in der glänzenden Exposition von Poussie1guesRusand zum weits
aus überwiegenden Theil auf dem besten Wege dahin.
Minder ausgesprochen zeigt sich dieses bei den französischen Bronzen. Allers
cling8 haben diese eine bedeutungsvo1le Neuerung in jenem Sinne aufZuweisen;
aber sie liegt mit ihren Formen wenigstens noch an der Gränze jener Zeit, welche
der sranzös1sche Geschmack während seiner Herrschaft durchlaufen hat. Diese
Neuerung sind die blanken Messingarbeiten in Lüstres, Lampen, Leuchtern, Uhren
und anderem Hausgeräth, wie sie seit wenigen Jahren Mode geworden sind und
allerdings weit besser zu dem neuen, ernsteren Stil der Wohnung passen. Die
französischen Fabrikanten unter ihnen scheint Bagues vorzugsweise Specialist
in Mefsing zu sein nehmen aber nicht die guten Formen der Renaissance zum
Muster, sondern diejenigen des siebzehnten Jahrhunderts, woher der Charakter des
Barocken niemals vollständig abgestreift erscheint. Weitaus die iiberwiegende
Masse des zah11osen Bronzegeräths, das in so mannichsacher Weise dem Hauss
gebrauch zu dienen hat, hält sich in den Formen des achtzehnten Jahrhunderts
und erscheint daher auch vergo1det, sei es für sich allein, sei es in Verbindung
mit Porzellan, mit Marmor oder anderem Material. Die französische Bronzeins
dustrie ist aber auch schon früher geschickt gewesen in den verschiedenen bräuns
lichen, schwärzlichen und grünlichen Farbentönen der Bronze, und sie machte
auch diesmal vor den ähnlichen Arbeiten der übrigen Länder diesen Vorzug
geltend, freilich auch nicht immer ohne einen bizarren Anstrich, indem es ihr
zuweilen mehr um die täuschende Nachahmung der ankiken Patina als um die
Schönheit zu thun ist.
Man muss aber die Bedeutung der französischen Bronzeindustrie nicht allein
in dem Hauss oder Luxusgeräth suchen; sie hat noch ein zweites kaum minder
bedeutendes Gebiet, worin sie heute noch so gut wie allein steht, das sind die
Figuren. Mit diesen Figuren, welche das ganze Gebiet von lebensgrossen freien
Gestalten bis zu kleinen Gruppen, Figiirchen und BijPkeH für schkeibtjfch und
Etageren umfassen und oftmals mit höchster De1icatesse, selbst mit RasHnement
Cwie bei Deniere einige Beispiele zu sehen warenJ ausgeführt sind, erhebt sich
die Bronzefabrikation eigentlich zur hohen Kunst, aber sie ist es doch wieder
nicht, weil sie wie ein industrielles Geschäft für Vervielfältigung behandelt wird.