DAS
KUNsTGEWERBE.
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gelungen erachtet werden müssen. Von den Möbeln, deren wir schon früher ges
dacht haben, sei hier zur allgemeinen Charakteristik nur in Kürze bemerkt, dass
auch sie trotz ihrer Gestaltung im Geiste der modernen Reform entschieden antis
kisirencle Neigung als ihre Landeseigentliümlicl1keit erkennen lassen und diese mit
höchst zierliclier, in den Formen wohl zu magerer Ausführung verbinden.
XVie ganz anders ist der Charakter der Schweizer Industrie, und wie ganz
anders stellt sie sich dar, wenn man sie mit dem geschichtlichen Charakter des
Schweizer Volkes vergleichtl Abgeschlossenheit in ihren Bergen, eigenthümliche
Art und Sitte und Festhalten an derselben mit Zähigkeit und Eifer, IsIirtenleben
und Viehzucht anstatt des Gewerbes, 7patriarchalisches Patrizierthum anstatt der
industriellen oder commerziellen Grossherren, das galt sonst als der Sc1iweizer ers
erbte Weise. Was kennt die Geschichte von ihrer früheren Kunst oder ihrer Ins
dustrieP VVas hat uns die Schweiz davon hinterlassenE Eine gute Anzahl glasirter
oder decorirter 0efen, die allerdings von einem künstlerischen Betrieb der Töps
serei im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert Zeugniss ablegen, eine noch
grössere Anzahl kleiner bunter Gslasscheiben, mit Wappen und Figuren bemalt, die
heute freilich aller Kunstfreunde Wohnungen schmücken, sodann vielleicht allerlei
geschnitztes Geräth von Kasten, Tischen und Bänken alles, wie wir sehen,
zum Schmuck, zur Ausstattung der häuslichen Stätte bestimmt.
Und heute ist die Schweiz ein vorwiegend industrielles Land mit einer Indus
strie, die für die Welt arbeitet, die ihre Erzeugnisse dem Norden wie den fernsten
Osten zuführt. Auch im sechzehnten Jahrhundert in der Landsknechtszeit und
später noch sah man die Schweizer Avantageurs in aller Herren Ländern und
Diensten, die ,,ReisläuserU laufen wohl noch heute aus die Reise, aber sie haben
sich in commiSsv0yageurs verwandelt, statt des Schwertes misst die Elle. Aus
dieser Sachlage, weil die ganze Schweizer Industrie auf den Export eingerichtet ist
und sich auf den in der Fremde herrschenden Geschmack einzurichten hat, geht
denn auch hervor, dass sie keinen eigenthümlichen Charakter hat und haben kann,
wie wir ihn bei der dänischen gesunden haben, ja sie kann sich nicht einmal mit
Entschl0ssenheit aus die Resoisinbestrebungen einlassen, bis dieselben von ihrem
Publicum und ihren Consumentei1 gutgeheisSen sind. Sie folgt einerseits der Mode
und imitirt andrerseits das Nati0nale. Für sich selbst scheint sie keine künstlerischen
Ansprüche und Bedürfnisse zu haben.
Diese zwei Seiten, die Mode und die Nachahmung des Nationalen, scheiden sich
aus das bestimmteste in den Geweben, namentlich in den Baumwollstosfen, deren
ein überwiegend grosser Theil nach dem Orient geht. Die Schweizser Ausstellung
führte uns daher eine ganze orientalischc Abtheilung vor, in welcher Jndischs oder
Türkischroth den Ton angab. In der indischen, persischen und anderen orientalischen
Ansstellungen konnte. man für alles die Originale sehen. Ein vie1gereister und
der Länder und Völker kundiger Mann hätte aber auch in den Schweizer Kattunen
mancherlei anderen Geschmack erkannt, wie er im Norden an den Küsten der Nords
und Ostsee, wie er auf der pyrenaischen Halbinsel und gewiss sonst vieler Orten
zu Haufe ist. Folgen diese BaumwollstoiTe vorzugsweise dem verschiedenen lans
desüblichen Geschmack des Volkes und helfen die ,,ura1tenU Volkstrachten ers
ganzen, so arbeitet die Seidenindustrie, die ein höheres Publicum im Auge hat,
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