Zweiundzwanzigstes
Buch.
werden1. Aber alle diese Vorlagen hatten schon vor ihm viele Andere
gesehen, ohne dass ihnen die Augen darüber aufgegangen wären; und die
Behandlung, welche Niccolo in Vasariis erster Ausgabe erfuhr, beweist,
wie Wenig selbst diesem Kunstschriftsteller des 16. Jahrhunderts klar ge-
worden war, worauf es ankam. Venturi macht mit Recht darauf auf-
merksam, dass Niocolo, um 1207 geboren, erst als gereifter Mann in die
Pisaner Welt eintrat, der er 1260 die berühmte Kanzel schenkte. Er hat
sicher nicht bis in seine fünfziger Jahre gewartet, um seine Fähigkeiten zu
entwickeln und sich seinen Weg zu suchen. Dass er ihn 1260 mit solcher
Legende der
Kuthari
Chiara zu
Neape].
Sicherheit geht, weist darauf hin, dass er anderwärts längst seine Schule
gemacht hatte und aus einer Atmosphäre kam, welche bereits bewusst an die
zwischen C. FREY und SCHMARSOW (D. Zeitschr.
f. Geschiehtswissenschaft 1895, 356 f).
1 VASARI, der in seiner ersten Ausgabe
von 1550 von den zwei grossen Pisani Ni-
kolaus und Giovanni schweigt und Andrea
als ersten Erneuerer der Sculptur hinstellt, er-
zählt in der spätern Ausgabe (bei MILANESI, ed.
SAusoixtl, unter den Beutestücken der Pi-
saner Flotte hätten sich einige Pili anticlzi be-
funden, die jetzt im Camposanto bewahrt wür-
den, und deren Güte Nicola zur Nachahmung
dieser-Manier geführt habe. S0 habe er nament-
lich den die J agd des Meleager darstellenden
Sarkophag bewundert, in welchem die Mark-
gräifin Matelda ihre Beisetzung gefunden.
Schon die Herausgeber der Le Monnierschen
Ausgabe (vgl. SANsoN. I 294, Anm. l) haben
gezeigt, dass Vasari sich geirrt. Nicht der
roh gearbeitete Meleager-Sarg im Camposanto,
sondern der Hippolytus- bezw. Phaedra-Sarko-
phag umschloss die Gebeine der grossen
(äräiin und diente Nicole zur Vorlage: der
Kopf der Madonna in der ,Ad0rati0 magorum.
ist eine Nachbildung der Phaemlra, die Anna
erinnert an die Amme auf dem Phaedra-Sarko-
phag der Petersburger Eremitage (Donßrznr
S. 49) ; aber auch an 'l'erracotten mit bacchi-
sehen Darstellungen. In den Köpfen der
Magier hat man eine Aehnlichkeit mit denen
Marc Aurels und Lueius Verus' gefunden.
Die Pferde Nieolals mahnen an die Russe
der antiken Täiumphwagen; man kann
seine Pferde auf dem Pulpito von Siena,
in der ,Adorati0 magorumi, fast genau auf
dem Sarkophag der Phaedra (LAsnuo Raeeolta
di Sarcofagi, Urne ecc. del Camposanto di
Pisa [Filz 1825] tav. 73) wiederiinden. Eben-
so sind die auf dem Bette gelagerten Wöch-
nerinnen in der Nativitä zu Pisa und Siena
Herübernahmen der auf etruskischen Grab-
urnen auf dem Lectisternium hingelagerten
Frauen (vgl. LASINIO tav. 32. 58).