Begriff;
Natur
constitutive
der Renaissance.
Elemente
Anhänge Recht, so zeriielen alle die grossen Pläne, welche den Geist dieses
genialen und unsäglich energischen Herrschers erfüllten; es entiiel ihm der
Ruhm, die mächtigste Kunstbewegung der christlichen Geschichte für immer
mit den Interessen des Pontificates und dem eigenen Namen in Verbindung
zu setzen.
Iulius II gab dem Cardinal von Corneto seine Antwort in den Decken- nimm n.
und Wandgemälden der Sixtinischen Kapelle und der Stanzen, vor allem der
Camera della Segnatura. Es bleibt unserer Darstellung seines Pontificates Die Camera.
vorbehalten, den detaillirten Nachweis zu liefern, wie in der Sistina die Iuxta- seglfäizra_
position der Sibyllen neben den Propheten des Alten Bundes die Weltweisheit
und das religiöse Ahnen der Antike als Vorhalle zum Christenthum zu ihrem
Rechte bringt, und wie die vier grossen Compositionen der Camera della
Segnatura das Hindringen der Menschenseele in ihren einzelnen Facultäten,
das Streben der gesammten Menschheit zur Gottheit in der Richtung des
ästhetischen Empfindens und künstlerischen Vermögens (Parnass), der philo-
sophischen und überhaupt profanwissenschaftlichen Forschung (Schule von
Athen), der staatlichen und kirchlichen Ordnung (Ertheilung der Rechte),
endlich des theologischen WVissens darstellen. Es kann, an diesem Orte und
bei der Natur dieses Pontifex, nicht einen Augenblick zweifelhaft sein, dass
wir es hier nicht mit dem subjectiven Einfall zweier Künstler, sondern mit
dem wohldurchdachten und klar formulirten Programm des Papstes zu thun
haben. Iulius hat sich hier in echt kirchlichem Sinne von jeder extremen
Auffassung entfernt gehalten. Er knüpft an an jene vermittelnde Richtung,
welche in Florenz von Marsilio Ficino und Pico della Mirandola eingeschlagen
worden war und welche durch Marsilids treueste Schüler Giovanni und
Giuliano de' Medici, die späteren Päpste Leo X und Clemens VII, nach Rom
verpflanzt und am päpstlichen Hofe vertreten war. Gerade Pico hatte sich
ernstlich und eigentlich neben Marsilio allein bemüht, der einseitigen Be-
wunderung für das classische Alterthum gegenüber die Werthschätzung der
gesammten wissenschaftlichen Entwicklung, auch der Scholastik und der
Forschung der nordischen Völker zu betonen 1. Er hat seine Gesammtauffassung
in dem Aussprüche zusammengefasst: fhilosophia veritatem guaerit, theologia
invenit, roligio possidet2; ganz übereinstimmend mit dem, was Marsilio Ficino
über die ,Akademie der edlen Geister' sagt: die Camera della Segnatura und
insbesondere die Schule von Athen und die Disputa sind nichts Anderes als
die künstlerische Illustration dieser Ideen.
Waren diese Compositionen die grösste Leistung der christlichen Kunst,
so stellt das Programm, welches sie veranschaulichen, zugleich eine der
grössten Thaten des römischen Papstthums dar. Die Aufnahme der
echten Renaissance in den kirchlichen Gedankenkreis be-
deutete eine Erweiterung der beschränkten mittelalterlichen
Idee zur Allgemeinheit, eine Ueberführung zur vollen und
echten Katholicität, ähnlich jenem grossen Schritt, den das
paulinische Heidenchristenthum that, indem es die Gemeinde
aus der Beschränktheit des judenchristlichen Standpunktes
' Plcl Oratio de hominis dignitate (Opp.
und Epist. ad Hermol. Barbar. in ANGELO
POLIZIANI Epist. libr. IX). Vgl. BURGKHARDT
Die Cultur der Renaissance in Italien I4 225.
2 PICI Epist. p. 243.
Aeusserungen Picds bei
System des Johannes Pico
S. 14 f.
Vgl. verwandte
DREYDORFF Das
(Marburg 1858)