Begriff,
Natur
constitutive
Elemente
Renaissance.
fort: hier stellte Pietro Pomponazzo (1462-1526) den Satz auf, dass
etwas in der Philosophie wahr sein könne, was in der Theologie falsch sei,
und derselbe Philosoph suchte zu beweisen, dass die Unsterblichkeit der Seele
weder von Aristoteles bewiesen noch überhaupt beweisbar sei 1. Dort, in
Florenz, entwickelte sich dasjenige Genie, welches als die wirkliche Incarnation
der paganistischen Renaissance, der vornehmste Träger der antiken Staatsidee,
leider auch das Vorbild äusserster sittlicher Corruption erscheinen muss. Aber
selbst Machiavelli hat, wenn auch nur aus politischen Erwägungen, der
Erhaltung der Religion das Wort geredet und in dem Verfall derselben die
Quellen des Niederganges vorausgesagt?
Indessen wurden auch die von Savonarola gegebenen Gedanken ins Extreme
ausgebaut. Zwischen 1492 und 1507 entstand das Werk ,De vera philosophia
ex quattuor doctoribus Ecclesiaeß welches Adriano von Corueto (Castellesi, Adriano vor
geb. 1458 oder 1459 zu Corneto, 1489 Notar der apostolischen Kammer, Comto"
1488 in Mission in Schottland, 1497 Protonotar und bald Secretär Alexanders VI,
31. Mai 1503 Cardinal mit dem Titel S. Chrysogoni) zum Urheber hatte, den-
selben Cardinal, in dessen Vigna sich der Papst Alexander den Tod holte
(gest. 18. August) 3. Es ist nicht anzunehmen, dass Adrian mit dieser Schrift
gerade die Florentiner Akademie angreifen wollte, wie es Janitschek vermuthet
hat. Vielmehr wendet sich das Buch gegen das ganze Wesen und Treiben
der Renaissance und des Humanismus, anknüpfend an jene Meinung, die schon
Domenico di Giovanni ausgesprochen: es tauge den Christen besser, den Boden
zu pflügen, als ihre Aufmerksamkeit auf die Schriften der Heiden zu richten.
Es wird in den ersten zwei Büchern, der kirchlichen Auffassung gemass, das
Anselmische ,Fid es praecedit intellect-um' variirt, dann über den kirchlichen Stand-
punkt weit hinaus eine Weltanschauung begründet, welche für den Christen
eigentlich jedes wissenschaftliche Leben ausschliesst und das gesammte Geistes-
leben der Menschheit als für das Heil des Geschlechtes belanglos, ja schädlich
erachtet. Die Kirche, heisst es (Buch IV), ist keine Akademie, sie besteht
aus gewöhnlichem Volke; die Kunst der Dialektiker, deren Haupt Aristoteles
ist, muss man ebenso wie die der Rhetoriker fliehen. Astrologie (womit
aber hier die Astronomie gemeint ist) verachten wir ebenso wie die Geometrie,
Musik, Tragödie, Poesie füllen nur den Mund mit Süssigkeiten aus, die freien
Künste sind dieses Namens unwürdig, denn nur Christus macht frei. Die
Werke der Dichter sind Teufelsspeise, und die Weisheit der weltlichen Philo-
sophen ist nur rhetorischer Pomp und lässt den Hunger nach Wahrheit und
Gerechtigkeit bestehen: gnihi autem curae est, mm quid Aristoteles, sed Quirl
Paulus dixeritÄ Und was hat Aristoteles mit Paulus, Plato mit Petrus zu
' Vgl. jetzt die Litteratur über Pompo-
nazzi bei PASTOR a. a. O. III 114.
2 MACHIAVELLI Discorsi Iib. I, c. 11: ,e
come 1a osservanza del culto Divino ä ca-
gione della grandezza delle repubbliche, cosi
il dispregio di quello ä cagione della rovina
di essef Ibid. c. 12: ,nissun0 maggiore
indizio si puote averc della rovina (Tuna
provincia, ehe vedere (lispregiato il culto
Divino." Ibid.: ,chi vedesse Puso pre-
sente quanto ä diverso da quelli, giudicherelabe
esser propinquo senza dubbio 0 1a rovina o
il fiagellof
3 Ed. Bonou. 1507; Rom. 1514; C01. 1546
(1548 Rom. 1775, cur. B. PASSIONEI. Vgl.
dazu jetzt BRUNO GEBHARDT Adrian v. Cor-
neto. Bresl. 1886. Gebhardt hat das Ver-
dienst (S. 97), auch auf eine anonyme (1520
in Deutschland?) gedruckte Nachbildung die-
ses Werkes aufmerksam gemacht zu haben:
Ecclosiae Doctoruin sen-
tentiae, qui non detrahunt quidem ethnicorunl
philosophiae, sed eam prorsus vituperant,
abiciunt, despiciunt, ut Christiaui hominis
Studio indignissimam impiamque et pestilen-
tem. Dat. XII Maii Anno XXÄ