Begriff,
Natur
constitutive
Elemente
der Renaissance.
und Pico's Mysticismus ging weiter und liess das Christenthum fast nur wie
eine Fortsetzung der attischen Philosophie erscheinen. Wir werden sehen,
was von ihren Ideen dem Papstthum unter Iulius II brauchbar erschien. Sicher
ist, dass die Thätigkeit der platonischen Akademie in Florenz zwar Viele
hinriss, aber nicht Alle überzeugte. Cosimo, der die Akademie ins Leben
gerufen, hatte auch S. Marco neu begründet, und der Convent der Prediger- s. Marco in
mönche, den er hier eingesetzt, ward seltsamer Weise der Mittelpunkt all Fl"e"z'
der Bestrebungen, welche die Dynastie der Medici und ihr geistiges Werk
gefährden sollten. Der Ernst ascetischer Lebensauffassung, welcher sofort in
den Tagen Fra Angelico's in dies berühmteste Kloster Italiens eingezogen
war, brachte es in einen nothwendigen Gegensatz zu dem Paganismus jener
Humanisten, die in ihrer Begeisterung für die Antike auch die sittliche Aus-
gelassenheit der Heidenwelt für sich in Anspruch nahmen und Andere lehrten.
Bücher wie Valla's ,Voluptas', Poggio's ,Facetiae', Beccadellfs ,Hermaphroditus'
mussten alle ehrbaren Gemüther erschrecken, und das, was man in Lorenzo's
Tagen in Florenz in Häusern und auf Strassen, in Büchern und auf Bildern
sah, war der Jedem in die Augen springende praktische Commentar für die
rasch zunehmende Auflösung der guten Sitte. Nichts war verständlicher und
berechtigter als jene Reaction, der wir zuerst bei dem Prior von S. Marco,
dem spätern Erzbischof von Florenz, Sant' Antonino, begegnen. Schon zu
Anfang des Jahrhunderts hatte ein anderer Dominicaner, der selige Giovanni
Dominici, ein Büchlein ,über die Leitung der Familie' voll goldener Weis-
heit geschrieben. Die ,Opera a ben vivereß Welche dem hl. Antonin gewöhn-
lich zugeschrieben wird, bewegt sich in demselben Gedankenkreise, den übrigens
auch Maffeo Vegios ,Sechs Bücher über Erziehung (1491) und andere päda-
gogische Schriften jener Zeit abspiegeln. Fra Antonino aber wirkte haupt-
sächlich durch das Ansehen seiner unantastbaren, einfachen, ganz dem Dienste
der Religion und der Armen hingegebenen Persönlichkeit, von der selbst Cosimo
einmal meinte, ohne ihr Gebet und ihr Ansehen wäre Florenz in jenen schreck-
liehen Zeiten der Pest, des Hungers und des Krieges zu Grunde gegangen.
Als theologischer Schriftsteller bewies er ein umfassendes Wissen, eine milde,
an Gerson sich anschliessende Richtung; die Alten citirt er zuweilen, und
er zeigt, dass er ihnen nicht principiell feindlich entgegensteht. Aber der
Quell seines Denkens und Empfmdens war nicht die Antike, und als er 1459
starb, zeigte sich, wie vereinsamt er mitten in dieser Welt gestanden, der
die Schwärmer für Ovid und Virgil schon viel näher standen als die Vertreter
des christlich-mittelalterlichen Gedankens.
So ein Todter mitten unter den Lebenden war im Grunde auch Savona- Savonarola.
rola, der an die von Fra Antonino hinterlassene Tradition anknüpfte, aber in
das, was er schrieb und that und predigte, unendlich mehr Leidenschaft als
Jener hinein zu legen wusste. Wir haben uns später eingehender mit seinem
Verhältniss zur Kunst zu beschäftigen. Hier kommt nur seine allgemeine ge-
schichtliche Stellung in Betracht. Kein Zweifel, dass das treibende Motiv in
dem ganzen Werke des Frate die Klage über den Verfall der Kirche, die er
schon in seiner Canzone ,De Ruina Ecclesiae" 1475 anstimmte, gewesen ist.
Er sieht diesen Verfall herbeigeführt durch die paganistische und unsittliche
Richtung der humanistischen Litteratur, durch die völlige Verweltlichung des
Klerus und die aller guten Sitte spottende Lebensführung des römischen Hofes.
Savonarola war kein Illitteratus. Auch er kennt die alten Schriftsteller, und
die Sorge, welche er und sein Convent für die Rettung und Erwerbung der