Begriff,
Natur
Elemente
constitutive
Renaissance.
solchen zu entschliessen. Vielmehr hat sie in weiser Zurückhaltung in diesem
Punkte der nationalen Empündung stets den allerweitesten Spielraum gelassen.
Niemand hat also das Recht, sich für die Güte und Kirchlichkeit des einen oder
andern Stils auf das Dogma zu berufen. Auch hier, wie auf andern Gebieten,
hat es sich gerächt, dass man den Ausdruck ,Kirchlichkeit' nicht auf das Dogma
und das, was sich unmittelbar aus diesem oder aus der Idee des Christenthums
ableiten lässt, beschränkte, sondern ihn auf Bildungen und selbst auf geistige
und künstlerische Moden anwandte, welche ihrer Natur nach wechselnd, weil
rein menschlich, von geographischen, ethnologischen, psychologischen Be-
dingungen abhängig sind. Auch in dem politischen Leben der Kirche hat es
solchen Wechsel der Mode gegeben. Die Lage derselben zwischen dem 14.
und 17. Jahrhundert brachte Institutionen mit sich, die, wie Annaten, Ex-
spectanzen, Nepotismus, als kirchlich zulässig, selbst nothwendig und lobens-
werth erklärt, später verpönt und verboten wurden. Aehnliches liesse sich
in Bezug auf manche Schulmeinungen der Theologen sagen.
Wie sehr diese Dinge zur Vorsicht im Urteil gemahnen, lehrt wieder Charme,
die Betrachtung des Humanismus in seinem Verhältniss zur Kirche. Von 1321111211221)
ihm muss ausgegangen werden, will man eine klare Einsicht in die Bedeutung Vcrhiilltniss
erlangen, welche das Eintreten der antiken Kunstwelt in die Renaissance- z" Kmhi
bewegung für die Kirche und die kirchliche Kunst gewann und welche Um-
wälzung durch die seit 1520 ausgesprochene Vorherrschaft dieses Princips
für die gesammte christliche Kunst herbeigeführt wurde. Versuchen wir es,
in kurzen und klaren Zügen die Entwicklung dieser Dinge darzulegen, um
einer Unklarheit ein Ende zu machen, an der fast die ganze kunst- und
kirchengeschichtliche Litteratur gekrankt hat.
Halten wir zunächst die humanistische und die künstlerische Bewegung
auseinander.
Die drei grossen Vertreter der neuen Richtung im Trecento haben auf
einzelnen Punkten die Unzufriedenheit kirchlicher Kreise hervorgerufen.
Dante's ,Monarchia' stand in zu starkem Gegensatz gegen die gueliische und
curialistische Politik, um nicht von dem Hofe zu Avignon perhorrescirt zu
werden. Man weiss, dass der Cardinal-Legat Pogetto die Verbrennung seiner
Gebeine verlangte, gegen die ,Monarchie' schreiben liess, und bekanntlich steht
die letztere heute noch auf dem römischen Index der verbotenen Bücher. Diese
Episode war in Wirklichkeit nur eine Fortsetzung des feindlichen Zusammen-
stosses, der sich in den Tagen Friedrichs I und Friedrichs II aus der
Wiederaufnahme der antiken Staatsidee, also dem ersten thatsächlichen Ver-
suche einer Wiederbelebung des Alterthums ergeben hatte. Bei Petrarca
begegnen wir bereits einem scharf ausgesprochenen Gegensatz zu der Scholastik
und einer ebenso scharfen, ja leidenschaftlich übertriebenen Kritik der an der
Curie zu Avignon herrschenden Zustände, die er namentlich in seinen ,Epistolae
sine titulo' geisselt. Boccaccio hat in seinem ,Decamerone' Geistliche, Mönche
und Nonnen nur zu gerne zu Helden seiner schlüpferigen Geschichten gemacht,
worin ihm die andern Novellisten, wie Sacchetti, Ser Giovanni und noch gegen
Ausgang des 15. Jahrhunderts Massuccio da Salerno, nachgefolgt sind. Er
hat auch in seinen theoretischen Schriften die Heuchelei eines entarteten
Mönchthums, welche übrigens ja auch schon Dante in der Commedia keines-
wegs geschont hatte, heftig angegriffen. Bei all dem kennt das Trecento
noch keinen irgendwie bewussten Gegensatz der neuen humanistischen Richtung
gegen den Kern des Christenthums oder die Lehre der Kirche. Selbst wenn
5!