Begriff,
Natur und
Elem ente
constitutive
der Renaissance.
im allgemeinen weder den Anspruch auf eine erschöpfende noch auf eine
objective Bearbeitung erheben kann, dürfte am Tage liegen.
Die erbitterte Opposition, welche seit dem Auftreten Luthers gegen das
Papstthum diesseits der Alpen sich geltend machte, war um so weniger ge-
eignet, der Stellung des Renaissance-Papstthums zur Kunst gerecht zu werden,
als die kunstgeschichtlichen Interessen und die Anfange kunstgeschichtlicher
Kritik erst der neuern Zeit angehören. Vor dem Auftreten der deutschen
und französischen Romantik und der Einleitung eines geregelten Studiums
der Kunstgeschischte war an ein angemessenes Urteil über das Jahrhundert,
welches der Reformation voranging, und dasjenige, welches ihr folgte, nicht
zu denken. Lange Zeit herrschte, bis tief ins 19. Jahrhundert, die Auffassung
Gibbons vor. In seinem schon angeführten 71. Capitel hat der berühmte
Geschichtschreiber des Falls von Rom zwar dem, was Iulius II und andere
Päpste geschaffen, seine Anerkennung nicht vorenthalten; aber massgebend
blieb doch die von ihm begründete, eigentlich erst in unsern Tagen durch
Boissier mit Erfolg zurückgewiesene Anschauung, dass das Christenthum den
Sturz der antiken Cultur verschuldet habe; war das der Fall, so konnte das
Wiederaufleben dieser Cultur nur einen Sieg über die Kirche bedeuten. In
diesem Sinne schrieben Sismondi di Sismondi und Michelet. Erst
F. A. Rio hat in Frankreich eine andere Auffassung begründet. Sein Buch
,De l'art chretien' beschränkt sich darauf, die Einwirkung der Päpste auf die
Entwicklung der Kunst vom 13. bis zum 15. Jahrhundert zu schildern; es
wendet sich aber mit grossem Eifer gegen die Wiedererweckung des Heiden-
thums und gegen jede Art von Naturalismus und Rationalismus. Die franzö-
sischen ,Fils des croisää aus der Schule der Montalembert und Didron
setzten den Kampf gegen die Renaissance als eine vorwaltend heidniscl1-
naturalistische Macht fort, und lange Zeit hindurch waren die ,Annales
darcheologie chretienne" das Hauptorgan einer Richtung, Welche namentlich in
Dingen der christlichen Baukunst die Gothik als allein kirchlichen Stil ver-
theidigte, die Renaissance als eine in ihrem Wesen unchristliche und un-
kirchliche Kunst denuncirte. In Deutschland hat August Reichensperger
viele Jahrzehnte hindurch dieselben Grundsätze mit Geist und Geschick ver-
treten: ein ausgezeichneter Kenner der Grothik, hochverdient um deren Wieder-
aufblühen unter uns, aber ohne Fühlung mit Italiens Kunst und Litteraturl.
Die eigentlichen Kunsthistoriker standen auf einer andern Seite. Rumohrs
italienische Forschungen' hatten doch einen zu grossen und prächtigen Ein-
blick in die Kunstwelt Italiens von Giotto bis herab zu Raffael gewährt, als
dass die Einseitigkeit der extremen Gothiker, von Johannes J anssen auf die
Spitze getrieben 2, zu halten gewesen wäre. Die eigentlichen Kunsthistoriker
standen seit Franz Kugler im ganz entgegengesetzten Felde: ihnen fehlte
durchgängig das unmittelbare Interesse an der kirchlichen Kunst und deren
Praxis, und nur zu vielen von ihnen war gerade das an der Renaissance
l Aus der reichen litterarischen Thätig-
keit A. REICHENSPERGERS, auf die später ein-
gehender zurückzukommen ist, sind hier be-
sonders hervorzuheben: Finger-zeige auf dem
Gebiete der kirchl. Kunst. Lpz. 1854.
Die christlich-germanische Baukunst und ihr
Verhältniss zur Gegenwart. 3 Trier 1860.
Verniischte Schriften über ehristl. Kunst.
Lpz. 1856. Allerlei aus dem Kunstgebiete.
Brixen 1867. Vgl. noch A. M. STEINLE
Edw. v. Steinle und Aug. Reichensperger in
ihren gemeinsamen Bestrebungen für die
christliche Kunst. Köln 1890. L. PASTOR
Aug. Reichensperger lI (Freib. 1899) 231 ff.
2 Jon. JANSSEN Gesch. d. deutschen Vol-
kes VI (Freib. i. B. 1888) 1-146.