Volltext: Die Kunst des Mittelalters, der Renaissance und der Neuzeit: Renaissance und Neuzeit (Bd. 2, Abth. 2, Hälfte 1)

Buch. 
Einundzwanzigstes 
denn als Novellist, hat dieser grösste geistige Epikureer aller Zeiten wie kein 
anderer die gesammte Geistesbildung seiner Epoche im Guten wie im Schlimmen 
Cusanus. widergespiegeltl. Nikolaus von Cusa (1401-1464), der auf dem Basler 
Concil seine berühmte ßoncordantia catholica" schrieb, um dann gleich Enea 
Silvio zur Partei des Papstes überzugehen, ist wol jetzt deiinitiv als identisch 
anzusehen mit jenem Nikolaus Treverensis, den Ambrogio Traversari 1435 als 
einen grossen Bücherfreund und Gelehrten (Jwmo st-udiosissinzus et lribrorzun 
copia insignisf) bezeichnet 2. Ohne Zweifel verdankt Ousanus dem Umgang mit 
italienischen Humanisten in Basel seine stärkere Hinwendung auf die hun1a- 
nistischen Studien, denen er indessen, wol infolge der guten Ausbildung, die 
er in der Deventerschen Schule empfangen, schon früher zugewandt war. Die 
Stiftung seiner Bibliothek nach seinem Geburtsorte Oues an der Mosel war 
sicher einer der mächtigsten Schritte zur Vermittelung der in Italien auf- 
gekommenen Studien in unsere Heimat. 
Es gab Reisen anderer Art, Welche einen internationalen Austausch her- 
beiführten und der Ausbreitung der neuen Bewegung zu gute kamen. Die 
Handelsbeziehungen der iiorentinischen Bankhäuser, insbesondere der Medici, 
bedingten einen regen Verkehr mit den reichen Städten der Niederlande. 
Der Import des niederländischen Naturalismus und derjenige der Oeltechnik 
wird auf diese Verbindungen zurückgeführt. Politische Beziehungen führten 
Italiener nach Ungarn und Frankreich, insbesondere seit dem Zeitalter des 
Andreas Corvinus und König Karls VIII. Auch diese Wanderungen waren für 
die Ausbreitung der Renaissancebewegung von grösster Bedeutung. Nicht 
zu vergessen sind nach dieser Richtung die zahlreichen Besuche deutscher 
Studenten auf den italienischen Universitäten, von denen dann die humani- 
stische Richtung immer weiter in unsere heimatlichen Kreise getragen wurde. 
Wie erspriesslich aber auch innerhalb Italiens selbst das Reisen für die 
Bembo. Kunst sein musste, lässt die litterarische Thätigkeit eines Bembo ver- 
muthen. Dieser grosse Latinist und eigentliche Begründer der italienischen 
Prosa hat sowol in seinem ,Aetna Dialogus' wie in seinen ,Historiae Venetae" 
uns Naturschilderungen von grösstem Reize und feinster Poesie hinterlassen, 
die unmöglich ohne Einfluss auf die Ausstattung des landschaftlichen Elementes 
gerade in der venezianischen Schule bleiben konnten. Und wie sehr musste 
ein Künstler wie Raffael durch den freundschaftlichen Umgang mit diesem 
geistvollen und viel gereisten Kirchenfürsten gewinnen! 
Die Reisen selbst dienten wieder zur Beschaffung eines andern grossen 
Ai-ehzaoiogi-Lehrmittels. Archäologische Sammlungen gab es im Mittelalter nicht. 
Sdlänäfm" Der Sammeltrieb concentrirte sich auf die Reliquien und kirchlichen Schätze, 
 mit denen in den reichen Stiften und Abteien meist mancherlei ,Curiositäten' 
verbunden wurden. Einige dieser Curiositäten haben ein antiquarisches Inter- 
esse. Andere Reste des Alterthums, wie namentlich geschnittene Steine, auch 
Medaillen u. dgl., Wurden erhalten, indem sie, wie bei dem Dreikönigenschrein 
zu Köln, in den Schmuck kirchlicher Gegenstände, Reliquiarien u. s. f. ein- 
bezogen wurden. Römische Steinsculpturen wurden nicht selten zu Altären und 
Gusanus. 
' Vgl. VOIGT Die Wiederbelebung d. class. 
Alterth. I u. II, passim. Ders., Enea Silvio 
de' Piccolomini als Papst Pius II. u. sein Zeit- 
alter. 3 Bde. Berl. 1856.  BURCKHARDT 
passim, bes. II 5 f. 
2 Vgl. jetzt (gegen VOIGT Wiederbelebung 
I 259) AL. MEISTER in Annal. d. Hist. Vereins f. 
d. Niederrhein 1897, Heft LXIII; dazu GRAUERT 
Nicol. V. Cues als Humanist u. s. f. (Köln. 
Volkszeitg. 1897, Nr. 516, Lit. Beil. Nr. 28).
	        
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