Begriff,
Natur
Elemente
constitutive
Renaissance.
und aufgenommen wurde. Die gesammte Weltanschauung des Aristoteles,
seine Naturwissenschaft, seine politischen Ideen kamen noch nicht in Betracht.
Der Seele des hellenischen Alterthums war man damit in keiner Weise naher
gekommen. Wol aber geschah ein solcher Schritt seitens der Juristen, welche
seit der Mitte des 12. Jahrhunderts an der neugegründeten Rechtsschule zu
Bologna auf das römische Recht zurückgriffen und für Friedrich I jenes
Gesetzbuch zurechtmachten, welches 1158 auf den roncalischen Gefilden bei
Piacenza verkündigt wurde. Hier begegnen wir dem ersten Versuch, auf die
antike Staatsidee zurückzugeben, freilich auch dem für die staulische Politik
zurechtgemachten, auf der Idee des römischen Cäsarenthums beruhenden Entschiede-
Absolutismus, der die Omnipotenz des Staates in der Person des Princeps
zusammenfasst. Diese juristisch-politische Bewegung setzt sich unter Fried- 119311119 f;
rich II fort, der die Ideen seines Grossvaters zum System ausbildet, ihnen 121011281?
aber auch sofort, wie wir unten sehen werden, einen monumentalen Aus- Smdmms-
druck gibt. Damit wird in der That die Regierungszeit dieses ,ersten
modernen Fürsten' gewissermassen der Prolog der Renaissance, deren erste
und eigentliche Initiatoren somit die Juristen und Politiker gewesen sind.
In der Vorstellung, welche das Mittelalter von dem Alterthum hatte,
spielte überhaupt die historisch-politische Erinnerung die Hauptrolle. Mit
dem hellenischen Geiste und seiner Cultur hatte man die Fühlung gänzlich
verloren, und die letzten Fäden, welche noch nach Byzanz hinübergingen,
hatte das Schisma des 11. Jahrhunderts völlig zerrissen. Der geringe Bestand
griechischer und patristischer Handschriften in den Klosterbibliotheken des
Abendlandes, die fast völlige Unbekanntschaft selbst der grössten Scholastiker
mit dem Griechischen und mit der griechischen Patristik, die man meist nur
aus den ,Catenen' kannte, beweisen, wie tief der Riss war, welcher diese
Welten trennte. So erschien den Menschen des Mittelalters das Alterthum
im Grunde nur im Lichte der römisch-lateinischen Cultur, und die Phantasie
beschäftigte sich hier in erster Linie mit dem Rom der Kaiserzeit, auf welches
das päpstliche gefolgt war. Augustus, unter dem der Herr geboren war, Ansehen
und dem man eine wunderbare Vision der Erscheinung Christi zusehrieb, war Vügils"
der Mittelpunkt dieser Herrlichkeit, die nun auf die Nachfolger Petri als
Statthalter Christi übergegangen war. Virgil, der Sänger dieses Imperiums,
als dessen entferntester, aber eigentlicher Begründer Aeneas gedacht wurde,
erschien dem Mittelalter als der grösste Dichter der alten Zeit und bald als
ein Prophet der neuen. Schon im 6. Jahrhundert hatte ein christlicher Schrift-
steller in seinem Buche ,De Continentia Virgilianzü in der Aene'1'de einen tiefen
mystischen Gehalt gefunden 1. Dem Bernhard von Chartres dünkt Virgil ein
Philosoph, der die Natur des menschlichen Lebens schildere Qscribit, in Quantum:
est philosophus, humanae vitae naturam") 2, und ähnlich urteilt der Polyhistor
des 12. Jahrhunderts, Johann von Salisbury, welcher die gesammte Philo-
sophie unter dem Schleier der von den Dichtern vorgetragenen Fabeln ver-
borgen glaubt (,sub imagine fabularzrm totius philosophiae exprimit veritetemQ 3.
Ein inneres Verhaltniss zu dem classischen Alterthum war aber damit noch
nicht hergestellt; denn so hoch auch der Respect war, den man vor letzterem
und seiner Weisheit hatte oder zu haben vorgab, so sehr man geneigt war,
' FABIUS PLANGIADES FULGENTIUS De Con-
tin. VergiL, ed. STAVEREN Mythographi latini.
Leyzl-Bat. 1742; vgl. dazu COMPARETTI 1. c.
2 Covsm Oeuvr. inäd. d'Ab61ard p. 283 s.
3 IOANNES SARISB. Polycmtic. VI c. 22
bis 24.