Begriff,
Natur
und
constitntivc
Elelnente
Renaissance.
kräftige Anschluss an das lateinische Alterthum im ll. Jahrhundert ent-
sprechen sowol der verbesserten historischen Einsicht, wie sie uns in den
classischen Chroniken entgegentritt, als der höhern allgemeinen Bildung,
wie die Schriften des Pier Damiani und Gregors VII sie abspiegelnl, als
endlich den kunstgescliichtliclien 'I'hatsachen. Wir sahen (II l, 62 f), wie die
Wandgemälde in S. Clemente, in S. Urbane alle Caifarelle, in S. Angele in
Forinis theils einen engern Anschluss an die vnagistra latinitas darstellen,
tlieils Einwirkungen zeigen, die auf einen erhöhten Austausch mit Byzanz
hinweisen. Um dieselbe Zeit erhebt sich die Elfenbein- und Metallplastik
(Paliotto von Salerno Broncetliüren Candelaber), und gleich zu Anfang
des 12. Jahrhunderts meldet sich der namhafte Aufschwung an, welchen die
Mosaikmalerei in der Schule nahm, die wir mit de Rossi byzantinisch-italie-
nisch nennen (II 246 f).
Die Frage ist, was diese Jahrhunderte sich innerlich von der Cultur des
Alterthums bewahrt haben, was nicht. Der Besitz und die Forterhaltung der
lateinischen Sprache beweist an sich dafür gar nichts. Mehr Gewicht ist
schon zu legen auf die Bücherbestande der Klöster, aus denen sich wenigstens
ersehen lässt, wohin die litterarischen Neigungen der Mönche gingen. Und
da ist denn freilich zu sagen, dass man in jener ganzen Epoche zwischen 500
und 1200 fortfuhr, die lateinischen Dichter zu eopiren, Virgil vorab, und sie
als libri scolares neben den Kirchenschriftstellern auf die Bücherreihen zu
stellen. Darüber, 0b es nützlich sei, diese heidnischen Bücher zu lesen, gingen
freilich die Meinungen auseinander. Wo die Bischöfe Galliens in Reims über
die Unwissenheit des römischen Klerus sich beklagen, vertheidigt der päpst-
liche Legat Leo diesen mit der Erklärung: ,die Stellvertreter Petri und dessen
Schüler wollen zu ihren Lehrmeistern weder Plato, noch Virgil, noch Terenz,
noch das übrige Philosophenvieli (pecudes philosophorzim) haben. Von
Anfang an hat Gott nicht die Philosophen und Redner, sondern die Illiteraten
und Ungebildeten erwahltfg Alkuin, der in seiner Jugend die ,Bücher der
alten Philosophen und die Lügen' Virgils so gern gelesen, dass er mit elf
Jahren besser in der Aeneide als in den Psalmen zu Hause war, Wollte im
Alter nichts mehr davon wissen und hielt seine Schüler, freilich mit wenig
Erfolg, von solcher Lectüre ab. Auch Tlieodulf iindet für nothwendig, sich
deshalb zu entschuldigen, dass er Virgil, Ovid u. s. w. gelesen. Dies hindert
nicht, dass die Alten bei beiden fränkischen Dichtern aus allen Versen heraus-
gucken. Wie einst Hieronymus werden auch jetzt fromme Kirchenfürsten und
Lehrer, wie Herbert, Bischof von Norwieh, Wilgard, Scholasticus in Ravenna,
von Scrupeln über ihre Freude an der Lectüre der Alten gequält. Es fehlt
nicht an Hitzköpfen, welche ein solches Studium als häretisch verschreien;
aber die meisten dieser Declamatoren verrathen, dass es ihnen mit ihren
Invectiven nicht ernst ist und sie selber oft genug an der verbotenen Frucht
genascht haben. Andere rathen geradezu dazu. Lupus von Ferrieres geht
den Handschriften der Classiker eifrig nach, und gleich ihm räth auch Anselm
zur Lectüre des Virgil3.
' Vgl. über diese Zeit GREGOROVIUS Gesell.
d. Stadt Rom im Mittelalter IV4 284 f.
2 Mon. Germ. V 673. Dazu GREGOROVIUS
a. a. O. lIl4 480 f. und bes. OOMPARETTI
Virgilio nel medio evo I2 (Fir. 1896) 99 sg.
(c. 6). Aus d. ltal. übers. v. DÜTSCHKE (Lpz.
1875) S. 70 f.
3 ANSELM. 011.351. Ein anderer Autor singt:
,Pervigil oro legas cecinit, quod musa Maronis
quaque Sophia docet, optime, care puerf