Begriff,
Natur
con stitutive
Elemente
Renaissance.
der Miniaturmalerei anzufüllen, Kirche und Sacristei mit Bildern und Sculpturen
zu schmücken, begabten "Künstlern eine dauernde Beschäftigung zuzuweisen,
durch Aufstellung ihrer Werke in dem Heiligthum (denn in Jenen Jahr-
hunderten waren die Kirchen die eigentlichen Museen der schönen Künste)
den Künstlern auch den Weg in die PFlVäItlläUS0l' zu bahnen und ihnen Be-
stellungen und Nachfragen zuzuführen? Wer diesen Dingen in der Local-
geschichte nachginge, könnte einen interessanten Beitrag zur Geschichte des
Verhältnisses der Kirche und des Klerus zur Renaissance liefern und ein Buch
schreiben, welches ein glänzendes Zeugniss für die treue, liebevolle Hingebung
des italienischen Welt- und Ordensklerus an die Sache der bildenden Künste
ablegte.
Aber es Waren nicht bloss die gebildeten Kreise, welche diesem Gegen- 1111322308485
stand ihre Theilnahme schenkten; gross und bewundernswerth ist auch das
Interesse, welches den Schöpfungen der Kunst seitens des Volkes bis hinab
in die niedrigsten Schichten desselben entgegengebracht wurde. Schon gleich
zu Beginn des Trecento bricht dieser Enthusiasmus durch. Als Duccio sein
berühmtes Dombild vollendet hatte, trug man es, am 9. Juni 1309, unter dem
Jubel des ganzen Volkes, unter Glockengeläute und Fanfarengeschmetter in
den Dom. Ein unübersehbarer Zug von Menschen, voran der Klerus, der
Magistrat, die Klostergeistlichen, die Bürgerschaft mit Frau und Kind bewegte
sich hinter dem Bilde her: es war ein religiöses und zugleich ein patriotisches
Jubelfest, das schöner und alter Sitte gemass mit reicher Spende von Almosen
an die Armen der Stadt beschlossen wurde. Auch der arme Mann sollte des
Kunstwerkes froh sein und er ist es (in Italien) heute noch.
Solche Scenen bot die Geschichte von Siena, namentlich unter dem An-
hauch der religiösen Begeisterung, welche S. Caterina und S. Bernardino
später hervorriefen, gar manche. Seit die Antike in den Vordergrund tritt,
sieht man die Massen von Zeit zu Zeit durch die Aufdeckung römischer
Alterthümer, namentlich in Rom, leidenschaftlich bewegt. Ein merkwürdiges
Beispiel solcher Erregung bildet die Geschichte von der Ausgrabung jener
schönen Römerin, Iulia, der Tochter des Claudius, deren angeblich unversehrter
Leichnam am 15. April 1485 bei S. Cecilia Metella aufgefunden wurde.
Die ganze Stadt war tief bewegt: war doch, wie man glaubte, die antike
Idealschönheit an diesem todten Mädchen auf einmal der Gegenwart wieder
nahe gebracht. Das Volk war gewöhnt an die ,Trionii', wie sie seit Paul II
in Rom aufgeführt wurden und in denen die Herrlichkeit der alten Cäsaren
an ihm vorüberzog. Die Herrlichkeit des antiken Körpers zu sehen, ward ihm
der Gegenstand plötzlicher Aufwallung. Papst Innocenz VIII, erschreckt von
dieser Bewegung, liess die Leiche nächtlicherweile verscharren1.
1 NANTIPORTO bei MURATORI III 2, 1094.
INFESSURA bei Ecomun SS. II 1050. BAR-
THOL. FONTIUS bei JANITSCHEK a. a. O. S. 98 f.
121. Vgl. zu der Sache BURCKIIARDT a. a. O.
I 208. MATARAZZO Arch. stor. ital. XVI
2, 180. SPRINGER Raph. und Michelangelo
112 368 (über das Verhältniss des Liller Mäd-
chenkopfs zu dem Fund von 1485). Münwz
Hist. de Part de 1a Ren. I 504; II 461.
J. RENOUVIER Gaz. des Beaux-Arts 1859 III
340. BLONDEL ibid. 1881 11290. Der Liller
Kopf (Büste aus farbigem Wachs), über dessen
Herkunft man nichts weiss, wurde häufig,
ohne Grund, Rafael zugeschrieben. RENOU-
VIER nannte Verrocchio, GONSE (Graz. des
Beaux-Arts 1859 III 340; 1878 I 197-205)
Orsino Benintendi, H. TIIODE (Mitth. d. Inst.
f. österr. Geschichtsforsch. IV 75) brachte
ihn zuerst mit der 1485 gefundenen Mumie
in Beziehung, wogegen sich JANITSCHEK
(L'Art IV [1883] 3), SPRINGER a. a. O. und
MÜNTZ 1. c. aussprechen. Ueber die Um-
stände der Auffindung 148-5 s. HÜLSEN Mitth.
d. Inst. f. österr. Geschichtsforsch. IV 3.