Buch.
Einundzwanzigstes
der die Madonnenmaler des Trecento und zum Theil noch des Quattrocento
in Florenz und Siena schöpfen, auch lange noch, nachdem Boccaccio die Emanci-
pation des Weibes thatsächlich gepredigt und statt der sittlichen Würde die
Klugheit, List, Verschlagenheit des Geschlechtes, ihre praktische Lebensweis-
heit als Ideal hingestellt hatte.
Mit dem 15. Jahrhundert tritt eine mehr weltliche und reichere Erziehung
der italienischen Frauenwelt ein. Die klösterliche Erziehung wird vielfach
durch eine häusliche ersetzt, die Frauen nehmen an den Studien und Spielen,
an den politischen Leidenschaften und Freuden ihrer Männer einen intensiven
Antheil. In den vornehmen Häusern erhalten die Töchter die gleiche wissen-
schaftliche Ausbildung wie die Söhne. Gut erzogene Damen sprechen und
schreiben Latein und nehmen an den mündlichen und schriftlichen Verhand-
lungen der Männer über Kunst, Poesie, Alterthum einen regen Antheil.
Lucrezia Borgia sprach und schrieb ausser dem Spanischen und Italienischen
lateinisch, griechisch und französisch. Die Frauen widmeten sich nicht nur
häufig der Poesie, in welcher die Venezianerin Oassandra Fedele
(1455-1558), Veronica Gambara (1485-1550) und Vittoria Colonna
hervorragten; sie gaben sich auch gelehrten Studien hin, wie Isotta
und Ginevra Nogarola, Olimpia Morato (geb. 1526 in Ferrara,
gest. 1555 in Heidelberg), welch letztere vielleicht der anziehendste Typus
dieser Classe gelehrter Frauen der spätern Renaissance war: hat doch
diese Bildung, wenn auch gewiss nur in seltenen Fällen, wie demjenigen der
vielberufenen Imperia (gest. 1511), der Isabella de Luna u. A., sich bis
in die Tiefen der Courtisanenwelt hinein erstreckt. Wie stark schon im
14. Jahrhundert das Gefühl der geistigen Selbständigkeit bei den Floren-
tinerinnen entwickelt war, zeigen die Unterhaltungen in der Villa des
Ant onio Alberti (1389) 1. In ihrer ganzen Bedeutung aber zeigt
sich das Weib der italienischen Renaissance in der von ihren domze del
palazzo und den perfette cortegiaazc umgebenen Herrin, wie sie uns zwischen
1450-1550 entgegentritt und wie sie uns von Castiglione geschildert wird 2.
Solche Frauen sah der Verfasser des ,Cortegiano' an dem Hof zu Urbino in
der Herzogin Elisabetta und deren Schwägerin Emilia Pia. Schon
13 Jahre vorher (1505) hatte Bemb o (1470-1547) in seinen ,Asolanischen
Gesprächen" die Königin von Cypern, Caterina Cornaro, als eine fürst-
liche Idealgestalt besungen, wie er und Ariosto später auch Lucrezia Borgia
als Herzogin von Ferrara (gest. 1502) in gleicher Weise verherrlichten. In
demselben Ferrara hatte schon vorher Eleonora von Aragon, die Gemahlin
des Herzogs Ercole I (1493), die Gelehrten um sich geschaart, wie dies später
die dem Calvinismus zugeneigte französische Prinzessin Renata (zweite
Tochter König Ludwigs XII und der Anna von Bretagne, geb. 1510, gest.
1575 in ihrem Schlosse zu Montargis) als Gemahlin des Herzogs Ercole II
von Este (1528-1560) that. Andere Beispiele von fürstlichen Frauen, deren
Haus der Sammelpunkt von Geist und Gelehrsamkeit war, sind die Dichterin
Veronica Gambara, einst Herrin von Correggio (1518), Costanza von
Camerino, Paola Gonzaga, Battista Malatesta, Isabella von
Este, Gemahlin des Markgrafen Francesco von Gonzaga in Mantua, Giulia
Gonzaga, Gräfin von Fondi (geb. um 1513, gest. 1566). Keine dieser Frauen
1 II Paradiso degli Alberti, ed. IWESELOWSKI
2, 33. Vgl. BURGKHARDT a. a. O. II 123.
BALD. CASTIGLIONE I1 Cortegiano
-6 (ed. CIANI p. 260 sg).
lib