Volltext: Die Kunst des Mittelalters, der Renaissance und der Neuzeit: Renaissance und Neuzeit (Bd. 2, Abth. 2, Hälfte 1)

Begriff, 
Natur 
constitutive 
Elelnente 
Renaissance. 
gesellschaftlichen Lebens zu bringen, nicht immer zum Vortheil ihrer Sittlich- 
keit. Dass sich an den Liebeshöfen und in der Litteratur der provencalischen 
Troubadonrs ein weiblicher Idealtyp herausbildete, welcher als vorbereitende 
Stufe zu Dante's Beatrice anzusehen ist, ist in der neuesten Zeit erkannt 
worden 1. Mit seiner Beatrice aber hat Dante den Typ der Dowma angelicata 
geschaffen, welcher sich als Typ idealer Weiblichkeit in der liorentinischen, 
sienesischen und umbrischen Kunst für die A-usgestaltung des Madonnenideals 
lange Zeit als massgebend erwiesen hat. In der Annunziata, welche Fra 
Angelico in dem obern Stockwerk von S. Marco in Florenz malte, hat er 
uns den letzten Gruss dieser idealistischen Auffassung hinterlassen, welche 
von da ab vor dem überwältigenden Andringen des Realismus zurückweicht 9. 
Es ist klar, welchen Einfluss auf die Werthschatzung des weiblichen Dante's Vita 
Elements in der Gesellschaft litterarische Schöpfungen wie Dante's Vita Nuova Nmlva" 
und die Commedia haben mussten. Noch kurz vor der Abfassung der ersteren 
hat der auch Dante nicht unbekannt gebliebene Aegidius Romanus den schönsten 
Schmuck der Frau in der völligen Zurückgezogenheit gefunden 3. Aus dieser 
Rolle tritt die Beatrice der Commedia völlig heraus, indem sie den Mittel- 
punkt des Gedichtes bildet. Das Phantasma seines Lebens ist dem Dichter 
zum Ausdruck des innigen und tiefen Contactes der idealen Weiblichkeit 
mit der Gottheit geworden. Hier klingt die alte germanische Auffassung 
durch. ,Die historische Beatrice war das Bild, welches Dante als Knabe 
schon in sich aufnahm; aber wie nach der Sage der Alten jene Conchylie 
die Strahlen der Morgensonne in sich aufnahm, um sie in der Tiefe des 
Meeres zu Perlen umzuschaffen, so hat der Dichter das ihm gewordene Bild 
seiner Donna dli cortesia aus den Tiefen seines von wilden Stürmen ge- 
peitschten und viel geprüften Herzens heraus verklärt, aus der Substanz 
seiner Intelligenz, aus seinem alles umfassenden Wissen, aus dem Born seiner 
unversiegbaren Liebe ergänzt und zum himmlischen Ideal erhoben." Nicht 
lange konnte sich freilich die Menschheit auf dieser Höhe erhalten. Schon 
bei Petrarca sinkt das weibliche Idealwesen eine Stufe tiefer. ,Seine Laura, 
durch die Wälder des Valchiusa irrend, in die klaren, frischen Fluthen des 
Giessbachs niedertauchend oder einen Regen von Blumen in ihrem Schoosse 
auffangend, ist mehr eine theokritische Nymphe als ein dantesker Engelfö 
V'on Petrarca ab geht der Weg der italienischen Empfindung in diesem Punkte 
schon abwärts. Eine Zeitlang erhält sich der Typ der Donna angelicata noch 
in dem toscanischen Volkslied: so in der schönen Canzone, welche in der 
Herrin den reinen, keuschen Morgenstern, die artige Lilie, die Blume des 
Paradieses besingt, den zarten, frischen, schönen Engel, der vor dem Blick 
des Liebenden die Augen senkt, einer Göttin gleich. Das ist die Quelle, aus 
' SuiwmLLo Alcune fonti provexizali della 
Vita Nuova di Dante. Tor. 1889.  RAJNA 
Le corti d'amore. Mil. 1890.  OARDUGUI 
Opp. VIII.  MOTT The system of courtly 
love etc. Bost. 1896.  KRAUS Dante S. 232. 
 Für die Stellung der Frau in der Zeit des 
RittGPWQSGHS und des Minnesangs sind zu be- 
achten die culturgeschichtlichen Werke von 
WRIGHT Womankind in Western Europe. Lond. 
1869.  WEINHOLD Deutsche Frauen im Mitte]- 
alter. 1851; 2. Aufi. 1882.  ALWIN SCHULTZ 
Das höüsche Leben zur Zeit der Minnesinger 9. 
Leipzig 1889.  De1's., Deutsches Leben im 
14. und 15. Jahrhundert. 2 Bde. Lpz. 1892. 
2 Vgl. Ammm BRUNAMONTI Beatrice Por- 
tinari, Firenze 1891, und ,Discorsi d'arte', 
Cittim di Castello 1898, p. 127 sg.  KRAUS 
Dante S. 233. 
3 E011). ROMANO Del Regimento de" Principi, 
p. c. di CORAZZINI II (Fir. 1858) 1, c. 11720. 
4 KRAUS Essays I 351. 
 Ebd. I 353.
	        
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