Buch.
Zweiundzwanzigstes
In der That könnte der lyrische Zug, welcher den Künstlern Von Gubbio, Foligno,
Urbino, Perugia eigen ist, kaum genügen, um sie als Schule zu charakteri-
siren; denn dieser lyrische Zug ist auch den Sienesen eigen, und wir treffen
ihn wieder in Florenz selbst bei Fiesole; während gerade das, was die Um-
brier der allgemeinen Entwicklung zubringen, das die Härte der Zeichnung
corrigirende, freilich auch den Reichthum derselben eliminireilde Element der
Farbe, erst bei Perugino mit Evidenz hervortritt.
Die stille Abgeschiedenheit der umbrischen Städte war ganz dazu an-
gethan, Jahrhunderte hindurch jene Stimmung der Andacht zu pflegen, welche
die Geschlossenheit dieser paradiesischen Landschaft nicht minder wie die grosse
in den Gemüthern nachwirkende Erinnerung an Francesco d'Assisi diesem
Lande als Geschenk des Himmels gegeben. Der einfache Sinn seiner länd-
lichen Bewohner, das Verwalten der klösterlichen Niederlassungen musste die
Künstler nach einer ganz andern, dem grossen Getriebe der Welt "völlig ab-
Ottaviano gewandten Richtung drängen. Ottaviano Nelli (gest. 1444) ist mit seiner
Nem Madonna del Belvedere in S. Maria Nuova zu Gubbio einer der frühesten
Vertreter dieser Sinnesweise, die mit viel bedeutenderm Erfolg vertreten und
nach auswärts (Venedig, Brescia, Siena, Orvieto, seit 1426 Rom) verbreitet
Guntilgda wurde durch Gentile da Fabriano (ca. 1370- ca. 1428). Burckhardt
nennt ihn den Fra Angelico Umbriens: so vollkommen weiss die Phantasie
dieses Künstlers, soweit es seine technischen Mittel (die er durch Aufsetzung
von Gold zu unterstützen suchte) gestatteten, die holde Seligkeit seines
gläubigen Gemüthes zur Wirklichkeit zu gestalten. Sein frühestes Werk
besitzt die Sammlung des Brera (Krönung Mariae), sein berühmtestes (die
Anbetung der Könige; Fig. 123) die Akademie zu Florenz.
Sogcn. Niccolö di Liberatore Mariani, den man seit Vasari's Versehen
(unter dem Bilde des Meisters in S. Niccolo zu Foligno steht: Nicholaeas
almnnzzs Fulginie) Alunno nennt (ca. 1430-1502). Noch roh und un-
behülflich, verräth dieser Meister in seinen besten Arbeiten (Madonna mit
Engeln und Heiligen von 1465 im Brera; Altarwerk in S. Niccolo in Foligno
von 1492) die Einflüsse Benozzds, der sich etwas von Fiesole's kindlich-
milder Auffassung bewahrt und in die Nähe Folignds gebracht hatte, wo,
wie Cavalcaselle sich ausdrückt (IV 186), ,er eine Kunstübung vorfand, deren
höchstes Ziel der Ausdruck süsser Schwärmerei, Seelenreinheit und Selbst-
entäusserung war, und so vollzog sich die Verbindung dieser umbrischen Kunst-
Ottaviano
N elli.
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