Zweiundzwanzigstes Buch.
Luca
Signorell
in Forli 1438 geboren, brachte sehr jung einige Zeit in Rom zu, schuf (nach
Schmarsow) von liamischen Einflüssen bestimmt ein Brustbild Christi (jetzt im
Museum zu Citta di Castello), ging um 1484 nach Urbino, Wo er für Herzog
Federigo die Allegorien der sieben freien Künste (vier erhalten in Berlin und
London) malte, Werke von hoher Schönheit, in denen der Einfluss der Flam-
länder, insbesondere des Iustus von Gent, wieder klar entgegentritt. Die
Verwandtschaft Federigois mit den della Rovere verschaffte dem Künstler
die Gunst Sixtns IV, in dessen Dienst er seit 1477, dann wieder 1480 er-
scheint. Der segnende Christus über der Treppe des Quirinals und zehn
Fragmente in der Sacristei von S. Peter sind der Rest der in der Tribuna
von S. Apostoli geschaffenen grossartigen Ascensio Christi, einer Composition,
deren Anmuth und Originalität kaum von Raffael übertroffen wurde. Es
folgte 1477-1478 das berühmte Fresco in der vaticanischen Bibliothek (jetzt
in der päpstlichen Pinakothek): Sixtus, von seinen vier Nipoten umgeben,
wie er Platina zu seinem Bibliothekar ernennt (Fig. 121), ein Gruppenbild, welches
Müntz mit dem Fresco des Mantegna, die Markgraiin von Brandenburg in Mitte
ihrer Familie (I 13), zusammenstellt. Bei Beiden Waltet die Absicht auf
das Porträt dermassen vor, dass das dramatische Element fast bis zu völliger
Gleichgültigkeit der handelnden Personen gegenüber dem vorzunehmenden Act
herabsinkt. Zwischen diese römischen Arbeiten fallt die ebenfalls im Auf-
trag eines della Rovere, des Cardinals Girolamo Basso, in Loreto ausge-
führte Decoration der Tesoro genannten oktogonalen Kapelle (Propheten, Engel,
Cherubim; 1478?)
Wie Melozzo da Forli, der Freund Giovanni Santfs, direct auf Itaffaels
Grazie hinführt, so geleitet uns Luca Signorelli aus Cortona (ca. 1441-1523)
zu Michelangelo. Luca di Egidio di Ventura kam früh nach Arezzo (1472), lernte
bei Piero della Francesca, ward W01 bald darauf in Florenz mit der Art der Polla-
iuoli und Verrocchio bekannt und trat dann auch mit Melozzo in Beziehungen,
die sich in der Madonna zu Loreto (um 1480) verrathen, während die Geisselung
des Herrn im Brera zu Mailand noch die starke Einwirkung Piero's zeigt.
Moses Thaten und Ende in der Sixtinischen Kapelle (ca. 1482-1483), die
acht Scenen aus dem Leben des hl. Benedict in Montoliveto Maggiore bei
Siena (ca. 1497-1498) sind schon namhafte Beweise seiner Gestaltungskraft.
In seiner vollen Bedeutung zeigen den Meister aber erst die Fresken in der
Sacramentskapelle im Dom zu Orvieto (Madonna di S. Brisio), wo es galt,
die von Fra Angelico verlassene Decoration zu vollenden (1499-1505). An
der Decke waren Engel, zwölf Propheten und die heilige Jungfrau, dreizehn
Patriarchen, fünfzehn Kirchenvater, sieben Martyrer und acht heilige Jung-
frauen zu malen; an den Wänden die vier grossen Scenen der Verkündigung
des Antichrist, der Auferstehung der Todten, Hölle und Paradies, dazu eine
Pieta und an den Sockeln Medaillons mit historischen und mythologischen
Scenen, den Köpfen des Homer, Virgil, Dante, Episoden aus Ovids Metamor-
phosen, der Aeneide und der Commedia des Dante 1. Zeigt schon diese
Inhaltsangabe, wie stark der Künstler unter dem Einflüsse Dante's stand, so
darf die ganze grosse Composition der letzten Dinge als von danteskem Geiste
etc. ä la Bibl. du VRÜCRII (Taprös les registres
de Platina (Extr. de la Gaz. des Beaux-Arts).
Par. 1875. Ders., Renaiss. II 692. SOHMAR-
sow Mel. da Forli, Borl. u. Stuttg. 1886.
' F. X. Kmwä Luca. Signorellfs Illustra-
tionen zu Dante's Divina Commedia. Freib.
i. B. 1892. Vgl. die gleich zu erwähnonden
Publicationen VOLKMANNS und BASSERMANNS.