Volltext: Die Kunst des Mittelalters, der Renaissance und der Neuzeit: Renaissance und Neuzeit (Bd. 2, Abth. 2, Hälfte 1)

italienische Frühronaissancc. 
in den W eltgerichtsbildern zu finden glaubt. Volkmann, Basserlnann und 
Beissel sehen in den von ihm betonten Details nur die Einwirkung allgemein 
verbreiteter Vorstellungen, wogegen ich doch angesichts bestimmter Anhalts- 
punkte geltend gemacht habe, dass ein naher Umgang mit der Gedankenwelt 
der Divina Commedia sich kaum bei Fiesole verkennen lasse 1. 
Die Predella des Cortoneser Altarwerkes zeigt die köstlichen Scenen 
aus der Legende des hl. Dominicus. Nicht minder anmuthig ist eine andere, 
jetzt auch mit jener in S. Gesü zu Cortona bewahrte Predella mit Bildern aus 
dem Leben der Jungfrau. Das für die Kapelle des hl. Nikolaus in S. Domenico 
zu Perugia gemalte Altarwerk (1437?) ist jetzt in Stücke zerlegt, die meist 
in der Pinakothek der Stadt, zum Theil in der vaticanischen erhalten sind. Die 
thronende Madonna, namentlich aber die Darstellungen aus der Legende des 
hl. Nikolaus, bezeichnen schon einen hohen Fortschritt in der Kunst des Meisters. 
Die Mehrzahl der Kritiker (so auch E. Müntz und der Cicerone 7. Aufl.) setzen 
in den Fiesolaner Aufenthalt nicht nur alle bis auf die 1501 von Lorenzo di 
Credi übermalte Altartafel ins Ausland verkauften Bilder in S. Domenico 
zu Fiesole, sondern auch den Hauptbestand von Angelico-Werken, deren sich 
insbesondere die Ufiizien und die Akademie in Florenz zu rühmen haben. So 
die 35 Miniaturbilder, meist aus dem Leben J esu und Mariae, in der Akademie 
(ehemals in der Annunziata); die Madonna in S. Maria Nuova; die Welt- Madonnen- 
gerichtsbilder im Palazzo Corsini und in der Akademie; vor allem die grosse 1mm" 
Madonna mit den Einzeliigürehen und den vier grossen Heiligen in den 
Uffizien (Nr. 17, 1433 für die Linaiuoli, die Flachshändlerzunft ausgeführt; 
F ig. 108), sowie die ebenfalls da bewahrte Krönung der Jungfrau inmitten von 
tanzenden und singenden Engeln (Nr. 1290), die manche für das schönste 
aller Werke des Meisters halten. Wenn die in diesen beiden Tafeln uns 
entgegentretende Welt der Seligen und Engel Fra Angelico alle Gelegenheit 
gab, den Zauber seiner mystischen Poesie zu entfalten, so kann doch nicht 
geleugnet werden, dass er bei den Hauptfiguren, Christus und der heiligen 
Jungfrau, sich nicht auf der Höhe seiner Aufgabe zeigte: beide Typen sind 
zu schwach und zu wenig geistig bedeutsam. Die Grazie dieser Engel, wie 
die beiden Bilder der Uffizien sie bietet, findet man in den beiden Krönungs- 
bildern von S. Marco (Supino p. 59) und im Louvre nicht wieder. In jenem 
kann man sich weder mit dem zu madchenhaften Typ der Madonna, noch 
mit den kurz gedrungenen Mönchsgestalten übermässig befreunden. In beiden 
sitzt die Jungfrau nicht neben dem sie krönenden Herrn, sondern kniet vor 
ihm. Das Louvrebild (Fig. 109) zeigt einen unter gothischem Thronbztldachin 
mit cosmatischer Arbeit sitzenden Christus mit der Königskrone voll gross- 
artigen Ernstes und Weihevoller Majestät; die Aufmerksamkeit der hier ver- 
sammelten Heiligen ist mehr als in den andern Darstellungen dieser Art bei 
Fiesole auf den Vorgang der Krönung concentrirt, und namentlich einzelne 
Köpfe, wie die der hl. Katharina mit dem Rad und des hl. Dominicus, sind von 
hinreissender Schönheit. Die ganze Composition hat etwas unendlich Aethe- 
risches und Durchsichtiges, und man ist gerne versucht, E. Müntz beizu- 
pflichten, wenn er von ihr sagt: Jamais la matiäre n'a am s-zebjzlgzaäe au 1121922112 
polnt. Les couleurs, vlvcs et entiäres  pawni alles le blezl et le cczrnzin doznlvzezzt 
 brillant (l'un äclat particuller" (Ren. I 653). 
1 MARCHESE Mem 14 308. 333. 
112 411.  FERRAZZI II 336.  
350 ; Scritti 
Cnowß und 
ÜAVALCASELLE II 
Angelico S. 52 f. 
149.  BEISSEL Fra Giov. 
 KRAUS Dante S. 6-52 f.
	        
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