Frührenaissanc
italienische
Diese Classiücation wird immerhin noch manchen Bedenken unterliegen.
In seinen früheren Madonnenbildern (dem herrlichen Tondo der Uflizien, Fig. 70;
der Anbetung der Magier für S. Maria Novella) bemerken wir eine Grösse
und Feierlichkeit, die bei einem Künstler von so unstätem und oberflächlichem
Temperament überraschen kann. Einer theologischen Singularität gab unser
Künstler nach, indem er das seltsame Bild für den Poeten Matteo Palmieri
(gest. 1475) malte, der, durch Marsilio Ficino mit Plato bekannt gemacht, die
Idee des Origenes wieder ausgegraben hatte, nach welcher die einst zwischen
Gott und Lucifer neutral gebliebenen Engel Menschen würden und als solche
durch den rechten Gebrauch ihrer Vernunft und Freiheit sich den Himmel
wiedenverdienen könnten. Das Gemälde zeigt uns die Himmelsscenen mit
den verschiedenen Kategorien der Seligcn, sammt den Bildnissen Matteo's und
seiner Frau. Dasselbe missliel aber der kirch-
3 " " lichen Autorität, wurde verhängt und der
g i, J 4„ Altar interdicirt 1.
I5? 9-5„ l Vasari (III 312) bezeugt ausdrücklich,
dass Botticelli viel in Casa Medici, für Lo-
renzo il Magnifico, gemalt habe: so eine
Qßvw 3 Pallas und einen hl. Sebastian, die jetzt ver-
7513m loren sind. Rio führt es ganz specicll auf
jflT f w den Wunsch und die Bestellung der 1nedi-
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X1 ceiscien ami ie ZUIIIC , wenn sic er
Ü Künstler in einer bestimmten Periode seines
65- Lebens vorzugsweise der Schilderung mytho-
3 Elf. logischer Scenen und der Darstellung des
F "l Nackten hingab. Nach der erstern Richtung
ä i: "Vä, mag hier eine starke Einwirkung Mantegnas
j, f; sicher auch der jetzt in Florenz so mächtig
" vertretenen litterarischen Tendenzen, platz-
Fig- Bafticßlliv 5012i" des Frühlings aus gegriffen haben. Es war die nämliche Zeit,
der ,All0gor1o des Frulilmgs". Gallcrla antlca
t modenm zu L'l(p1-enz_ uuwt_A1i,.ari_) WO 1n der Kunst die Ignuda ihren Einzug
nahm 2. Die Entdeckung der Schönheit des
menschlichen Körpers musste zu dieser Etappe führen; das Studium der Ana-
tomie gab die Möglichkeit, den unverhüllten Menschenleib in seiner Herrlich-
keit zu studiren, zu schildern und diese neue Offenbarung der Gegenwart
nahezubringen. Botticelli und Luca Signorelli (Vasari VI 141), welche nach
Vasarfs Zeugniss gerade für die Medici mit solchen Darstellungen beschäftigt
Wurden, haben dieser Aufgabe zunächst entsprochen, ohne der Lüsternheit zu
opfern, welche seit Poggio und Beccadelli ihren Triumphzug in der Litteratur
angetreten hatte. Von ,Ignude' führt Vasari (III 812) zunächst zwei an,
die Botticelli für Castello, die spätere Villa des Herzogs Cosimo, malte: die
Geburt der Venus und die Primavera. Die Anadyomena, jetzt in den Uffizien,
ist Botticellfs bekanntestes Bild. Die Göttin, völlig unbekleidet und dessen sehr
bewusst, treibt in einer Muschel der Insel Cypern zu, wo eine Nymphe ihr das
Gewand entgegenbringt, Zephyr und sein Genosse sie mit ihrem l-lauch um-
1 Vgl. RICHA Chiese Fior. I, Lez. XI.-
Diese Assunta kam aus der Sammlung des
Herzogs von Hamilton in die Nationalgalerie
zu London. Ueber Palmierfs und Botticellfs
,llae1'esis' s. ,Academy' 1882 N0. 535, p. 107.
2 Vgl. über das Aufkommen der Ignuda
Jos. BAYER Aus Italien (Lpz. 1885) S. 267 f.;
und jetzt besonders J. BURCKHARDT Beitr.
zur Kunstgeschichte von Italien (Bas. 1898)
S. 423 f.