Zweiundzwanzigstes
Buch.
Jahre 1421-1424 gedacht werden, welche durch die 1mmatriculationstermine
in Florenz beschränkt sind. In diese Zeit sind die für den Cardinal Branda
oder für Condolmer, den spatern Papst Engen IV, gemalten Wandgemälde in
der Katharinenkapelle von S. Clemente (Scenen aus dem Leben der
hl. Katharina) und die Deckengemälde daselbst (Evangelisten und Kirchen-
lehrer) zu setzen, welche sich als vor die Bilder im Carmine fallende Jugendarbeiten
Masacciois charakterisiren. Die noch von Springer festgehaltene Meinung, der
Meister von S. Clemente müsse auch die Fresken im Baptisterium zu Casti-
glione gemalt haben, ist jetzt aufzugeben, und die Annahme tritt in ihr Recht,
dass Masolino, als er die Fresken im Baptisterium schuf, sowol nordisch-
ungarische Einwirkungen als solche wiedergab, welche er bei einem Besuche
von Florenz (1425 und Rom aus Masaccids Fresken gewonnen hatte.
Die Gemälde in S. Clemente, besonders die Kreuzigung, lassen bereits
eine ausgeprägte Richtung auf den Realismus und bei aller Unvollkommen-
heit in der Verkürzung doch einen entschiedenen Fortschritt in der Perspec-
tive wie in der Behandlung des Nackten erkennen. Damit, wie mit jenem
in der Legende der hl. Katharina hervortretenden Zug von Grösse und Ein-
fachheit kündigt sich schon eine neue Zeit an, welche dann in den Fresken
der Brancacci-Kapelle in S. Maria del Carmine in Florenz zum vollen
Durchbruch gelangt.
In dieser Kapelle hatte Masolino, nach dem ausdrücklichen Zeugnisse
Vasarfs, die Ausmalung begonnen. Sein Eigenthum werden die vier Evan-
gelisten in den Gewölbekappen und auf den anstossenden Bogenfeldern der
drei Wände die drei Scenen: Berufung der Apostel Petrus und Andreas, der
Gang übers Wasser (Matth. Cap. 14) und die Verleugnung (Matth. Cap. 26) sein.
Mit diesen Arbeiten wird Masolino 1425 abgebrochen haben, um nordwärts zu
ziehen, und hier setzte jetzt Masaccio an. Er war zwanzigjahrig schon nach
Rom gekommen, wo er in dem Triptychon von S. Maria Maggiore (Hauptstück
jetzt in Neapel) für Papst Martin V und in der Madonna von 1423 (Bremen)
die ersten Proben seines Compositionstalentes, seiner Empfindung für Raum-
verhältnisse und perspectivische Construction ablegte. Diesen Arbeiten waren die
Fresken in S. Clemente gefolgt; 1425 übernahm der Meister die Vollendung der
von Masolino aufgegebenen Brancacci-Iiapelle. Die erste Gruppe der hier von
ihm geschaffenen Fresken umfasst die Heilung der Lahmen und die Erweckung
Tabitha's (dazu ist zu vergleichen die Heilung des besessenen Knaben, in Brüssel),
den Sündenfall (um dieselbe Zeit fallen die beiden Tafelbilder in Florenz und
München), die Predigt Petri (dazu. das Fresco in Empoli). Schmarsow nimmt
an, dass auf diese 1425 fallenden Arbeiten die Vollendung des Freskenschmuckes
in S. Clemente, speciell die Ambrosius-Legende, die Verkündigung, der
hl. Christoph und der Dioskur, endlich die Kreuzigung, deren Fortschritt in der
Problemlösung die engste Verwandtschaft mit den eben erwähnten Brancacci-
Fresken verrath, anzusetzen ist. Nach der Rückkehr nach Florenz (1426
waren die zweite Gruppe der Wandgemälde im Garmine (die Geschichte vom
Zinsgroschen, die Vertreibung aus dem Paradiese [Fig. 54], die Taufe der Drei-
tausend, die Almosenspende und die Schattenheilung) und verwandte Werke
(das Altarwerk zu Pisa, Fragmente der Sammlung Montor, die Nikolaus-Legende
auf der Predella im Vatican, die Tafelbilder in Berlin) entstanden. Als letzte
Phase in der Entwicklung des Meisters erscheinen in der Brancacci-Kapelle die
Sacra del Carmine (die Festprocession), die Erweckung des Fürstensohnes und
Petrus in Cathedra, dazu das Porträt in der Münchener Pinakothek. Als das