Einundzwanzigstes
Buch.
entstehen Stadtbeschreibungen 1, Schilderungen des bewegten Lebens, zu denen
wieder Dante die Anregung gibt, in denen Enea Silvio wieder als Meister sich
bewährt, Malereien des Landlebons, die freilich früh genug in eine verkünstelte
Bukolik ausarten (so schon in den meines Erachtens gefälschten Eklogen
Dante's und des Giovanni di Virgiliol), von denen uns indessen noch die
Eklogen des Carmelitermönches Battista Mantovano (um 1480) ein leid-
liohes Beispiel geben, zur selben Zeit, wo Lorenzo il Magnifico selbst es nicht
verschmäht, uns ein meisterliches Bild des toscanischen Bauernlebens zu
zeichnen. Der Grossmeister aber dieser poetischen Schilderung des Landlebens
mit seinen Festen, Sorgen und Freuden, der Sänger der toscanischen Fluren ist
An gelo Poliziano, L0renzo's treuer Freund (geb. zu Montepulciano 1454,
gest. zu Florenz 1494), auf dessen grosse Stellung inmitten der humanistischen
Bewegung wir zurückzukommen haben 2.
Entdeckung Noch einmal müssen wir, ehe wir weiter gehen, Dante's Verhältniss
dcrNattln zur Kunst und seine Stellung zur Renaissancebewegung ins Auge fassen.
Sein persönlicher Verkehr mit Künstlern (er konnte Oderisi d'Ag0bbio, Franco
Bolognese, Cimabue gekannt haben), namentlich mit Giotto, kommt hier wol
in Betracht, mehr noch die Beachtung, welche er Kunstwerken erwies und
deren Eindrücke an zahlreichen Stellen der Commedia nachweisbar oder wahr-
scheinlich sind, vor allem aber seine eigene Kunstlehre 3. Seine Idee des
Schönen geht im wesentlichen auf Augustinus4 zurück und ist von der aller
grossen Scholastiker nicht verschieden. Er erblickt die Schönheit in der
Harmonie der zu einem Ganzen geordneten Theile, und da ihm wie Thomas
von Aquino und Bonaventura Gott Urquell des Schönen und des Guten ist,
sieht er auch in der Erscheinungswelt nur einen Reflex der göttlichen Schön-
heit (Parad. XIII 52). Es ist ein Missverständniss, wenn man (wie Janitschek)
dem Christenthum vor dem 13. Jahrhundert eine principielle Verdammung
der Natur zuschreibt. Gewiss aber bricht seit Francesco d'Assisi und in
Dante die Bewunderung der Herrlichkeit der Natur stärker hervor als je
zuvor im Mittelalter. Das ist ein erster grosser Schritt zur Renaissance der
Kunst gewesen. Einen zweiten thut Dante, indem er (so namentlich in der
berühmten Canzone ,Io son venuto al punto della rota") das Axiom aufstellt,
dass der Künstler nur innerlich Erlebtes darstellen soll. Bricht damit das
subjective Element ungehindert durch, so wird anderseits durch diesen Satz die
Lebenswahrheit als höchstes Ziel der Kunst hingestellt (Parad. XXX 19-31).
1 Die älteren ,Mirabilia urbis Romae"
(ed. PARTHEY [Ber0l. 1869] und JORDAN T0-
pogr. d. Stadt Rom im Alterthum II 536)
gehen in ihren beiden Hauptrecensionen ins
12. Jahrhundert zurück. Unter Martin V
schrieb SIGNORILI (um 1417) eine handschrift-
lich erhaltene Beschreibung Roms (GREGO-
ROVIUS Gesch. d. Stadt Rom VII 569), etwas
später ein Deutscher, H. MUFFEL, die von
W. Voar (Tüb. 1876) herausgegebene. Im
Jahre 1510 druckte FRANCESCO ALBERTINI sein
,Opuscu1um de mirabilibus novae et veteris
urbis Roman? (neu herausgeg. von Scmvmnsow,
Heilbr. 1886), dessen III. Buch für die Zeit
zwischen Nikolaus V und Iulius II wichtig ist.
2 Vgl. dazu jetzt Ism. DEL LUNGO Flo-
rentia. Uomini e cose del Quattrocento. ll
Poliziano in patria, in fainiglia ecc. Fir. 1897.
DEL LUNGO hat auch ebd. 1867 Polizians Ge-
dichte (Prose volgari inedite e Poesie latinc
e greche edite e inedite) herausgegeben.
3 Jnniscnnx Die Kunstlehre Dante's und
Giottds Kunst. Lpz. 1892. LEYNARDI La
Psicologia delParte nella Div. C0111. Tor. 1894.-
KRAUS Dante S. 548 f., wo dieser Gegenstand
eingehender behandelt ist, so dass ich mich
hier kurz fassen kann. Vgl. noch L. VOLK-
MANN Iconograüa Dantesca. Lpz. 1897; ital.
Fir. 1898.
4 AUGUSTIN. De vera relig. c. 60 (Opp.
ed. Ven. I 978). Dazu die beiden Libri de
ordine (ibid. I 378).