Zweiundzwanzigstes Buch.
um dies klarzumachen. Ueberall herrscht Albertfs Grundsatz: dass die Schönheit
des Bauwerkes in seiner Coneinnitas, d. h. in einem gewissen Zusammenklang
besteht, einer Harmonie der einzelnen Glieder, aus der nichts hinweggenom-
men werden kann. Jede Aenderung an den Maassen und Verhältnissen würde,
seiner Auffassung nach, jene ganze Musik zerstören. Diese musikalisch-
malerische Wirkung beruht auf einem, wie Alberti sich ausdrückte, unnenn-
baren Etwas Äyuippiam guod quelle ipsmn sit, 12012 requiroß Man kann sagen,
es sei dies das Product eines entwickelten künstlerischen Gefühles (J. Meyer);
wäre es nicht richtiger, zu sagen, dass wir es hier mit der allerintimsten
Manifestation des ästhetischen Empündens der lateinischen Rasse zu thun
haben?
Indem Florenz und Toscana auch hier vorangingen, bewährte die Repu-
blik den Principat, den ihr Dante hinterlassen hatte. Allmählich gingen jetzt
auch die übrigen localen Centren Italiens zu der neuen Kunst über.
In Rom setzten unter Pius II und Paul II noch Alberti und Filarete,
die Majano, Pietrasanta, Giovanni de' Dolei (gest. 1486: Sixtinische
Kapelle 1473-1481) die Richtung fort, welche sich in S. Maria dell' Anima
(seit 1500), S. Pietro in Vincoli, S. Agostino (1479-1483), S. Maria del Popolo
(seit 1472) zeigt. Auch S. Pietro in Montorio und das für Innocenz VIII erbaute
Belvedere im Vatican gehören dieser Zeit an. In Pavia verdrängt mit Guiniforte
Solariis Bauleitung an der Certosa (1453-1481) die Renaissance die Gothik.
Diese Einiiüsse, versetzt mit den toscanischen, gelangen nach Neapel, Wo
ein Florentiner die Porta Capuana, ein Mailänder, Pietro di Martino
(ca. 1425-1473), das grosse Prachtstück der decorativen Kunst, den Triumph-
bogen König Alfonso's (1455-1470), schuf. Bologna, in dessen Palastbau
der Backstein vorherrscht und die Ausnützung des Erdgeschosses zur Strassen-
halle charakteristisch ist, nahm seit Mitte des 15. Jahrhunderts statt der
gothischen die classischen Formen an: sein schönstes Werk ist der Cortilo
des Palazzo Bevilacqua (seit 1481). Triachini (Palazzo Malvezzi-Medici) und
Terribiilia führen hier die Umbildung des Stiles definitiv durch. Am spätesten
sagt Venedig den gothischen Ueberlieferungen Lebewohl, die uns hier am
Chor von S. Zaccaria (1456) und der Porta della Carta am Dogenpalast nebst
der anstossenden Halle (1438-1443) zum letztenmal begegnen. Der neue
Stil fand in dem hier ihm angebotenen Material und der ausserordentlichen
Macht- und Prachtentfaltung das Republik eine willkommene Unterstützung.
Den Lombardi (Martino, gest. 148119; Pietro di Martino Solaro,
gest. 1515) gelang es, die neue Bauweise in Uebereinstimmung mit dem Ge-
schmack und den Gewohnheiten der stolzen Venezianer zu bringen. Von construc-
tiven Aufgaben, wie sie Toscana gelöst, konnte bei der Beschaffenheit des
Baugrundes hier nicht Rede sein. Auch einer so verschwenderischen Phantasie,
wie sie die Certosa di Pavia offenbart, waren ihre Grenzen gesetzt. Aber
innerhalb dieser Grenzen wussten diese Künstler, ohne ihre lombardische
Heimat zu verleugnen, einen Stil zu schaffen, der an der ganzen Anordnung
und Decoration genau das coloristische Element zum Ausdruck brachte, welches
die Malerei der Venezianer bezeichnet (die alten Procuratien, seit 1480; Fondaco
de, Tedeschi, seit 1506; Hof des Dogenpalastes, seit 1500; Palazzo Vendramin-
Calerghi, seit 1481, mit der wol vorgeschrittensten Palastfacade des damaligen
Italien. Von Kirchenbauten: Inneres von S. Zaccaria, seit 1458; S. Maria
de, Miracoli, 14180-1489; S. Giovanni Crisostomo, seit 1497; Scuola di S. Marco,
seit 1485-1495; Scuola di S. Roceo, 1517--1550).