Frührenaissance.
italienische
des Geschmackes und den Eingebungen individueller Laune oder localer In-
spirationen Raum geben. Die Renaissance, wie sie mit dem Trecento in
den Tagen Petrarcaafs ins Bewusstsein trat, sticss nicht wie bei uns auf den
Widerstand der constructiven Macht; sie hatte im Grunde nur Wieder an die
römische Decoration anzuknüpfen. Die Bewegung ging auch hier in der Haupt-
sache von Florenz aus. Giottois Campanile, Orsanmichele (ca. 1337 von
Francesco Talenti begonnen; Tabernakel des Orcagna, 1359 vollendet),
auch der Bigallo (1852-1358) stehen noch vorwaltend im Zusammenhang der
gothischen Bauweise: höchstens am Bigallo kündigt sich etwas von dem Nahen
des Umschwungs an. Dieser vollzieht sich mit Ersetzung des Spitzbogens
durch den Rundbogen, und die Loggia de' Lanzi (1376 durch Simone di
Francesco Talenti begonnen, 1882 vollendet 1) ist das erste oder eines
der ersten Beispiele, wo der anderwärts (z. B. am Dogenpalast in Venedig)
bis ins 16. Jahrhundert sich erhaltende Spitzbogen gänzlich beseitigt ist.
Bei all dem sind auch hier die den Rundbogen tragenden Saulchen noch
von der Gothik beeinliusst. Erst Filippo Brunelleschi ersetzt die gothischen
Pfeiler definitiv durch die antike Säule.
Filippo Brunelleschi War 1377 in Florenz als Abkömmling eines
vornehmen Geschlechtes geboren und starb am 15. April 1446 als Pflegling
in dem Kloster der Hieronymiten della Campora a Colombajo (hinter Bello-
sguardo). Es war entscheidend für seine Entwicklung, dass er in seiner Jugend
frühzeitig mit der litterarischen Bewegung der Zeit Fühlung gewann. Seine
artistische Neigung schwankte anfangs zwischen der Sculptur und Architektur.
Die vielbesprochene Anekdote, welche sich an das grosse Holzcruciiix in
S. Maria Novella und die Concurrenz mit Donatello knüpft, legt wenigstens
die Gründe nahe, weshalb er sich schliesslich der Baukunst zuwandte; doch
muss er auch in der Plastik als Vorkämpfer und Bahnbrecher des Realismus
gelten. Entscheidend für seine ganze Richtung War der Aufenthalt in Rom
(zwischen 1402-1405), den er theilweise in Gemeinschaft mit Donatello ver-
brachte. Das Studium der römischen Denkmäler, das bald auf die der Cam-
pagna ausgedehnt wurde und worüber ein leider verloren gegangenes Skizzen-
buch Nachricht gab, war ein epochemachendes Ereigniss für die Kunst der
Renaissance. ,Den Charakter der Antike', sagt Fabriczy (S. 41), ,hat mit
einem Blick, so scharf wie der seinige, kein Künstlerauge vor ihm ent-
wickeltf ßtava astratto ehe parreva fuor da" s? erzählt uns Vasari; er
drückt damit das bewundernde Erstaunen und die hinreissende Bewegung
aus, welche dies Jahrhundert in dem Momente empfand, wo es zum ersten-
mal die Wunder der antiken Baukunst künstlerisch und wissenschaftlich zu
begreifen im Stande war. Bei all dem bleibt es wahr, dass Brunelleschi und
seine Zeit die Antike nur als Ausdrucksmittel für ihre eigene Bauideen, im
Sinne freiester Combination, verwertheten (Bnrckhardt): nicht der Gesammt-
organismus der römischen Architektur, sondern die aus den einzelnen Bau-
gliedern resultirende formale Schönheit und der decorative Schmuck war es,
1 Die Angabe Vasarfs, (lass Orcagna der
Meister der Loggia Sei, ist höchst unwahr-
scheinlich, da er 1368 oder 1369 bereits todt
war. Vgl. C. FREY Die Loggia de' Lanzi zu
Florenz (Berl. 1885) S. 20 f. H. V. GEY-
MÜLLER sieht die befreiende That der Renais-
Sauce in der Durchbrochnng des constructiven
Systems der Gothik; er setzt den Anfang
der Renaissaucearchitektur mit Giotto, selbst
mit Arnolfo und nimmt eine stufenweise Ent-
wicklung von diesen beiden Künstlern bis
Bmnelleschi an. '