Begriff,
iNatur
Elemente
constitutive
Renaissance.
fast niemals das Charakteristische im Leben und Wesen eines bedeutenden
Mannes herauszuschälen. Sie verfallen immerfort in denselben stereotypen
Legendenton wie die Maler und Bildhauer, die erst gegen Ende des 13. Jahr-
hunderts anfangen, das Individuelle zu unterscheiden und lhrträtähnlichkeit
anzustreben. Das eine und das andere war unmöglich, ehe der Werth der
Persönlichkeit ins Bewusstseingetreten war. Joinville's ,Leben des hl. Ludwig
steht ganz vereinzelt da. Für die mächtigsten Persönlichkeiten des Mittel-
alters, für einen Gregor VII, Innocenz III, Friedrich den Rothbart, Friedrich ll,
ja selbst trotz Einhard für Karl d. G12, muss man sich mühsam aus den
Urkunden und Gesten die Zügc zusammensuchen, welche das Wesen so grosser
Männer ausmachen. Petrarca, bei welchem ein so starkes geschichtliches
und antiquarisches Interesse hervortritt, hatte in seinen Darstellungen aus
der römischen Geschichte Bilder geschaffen, welche die Auffassung des
Oharakteristischen und eine malerische Behandlung des Gegenstandes an Tag
legen. Aber erst Boccaccio stellte in seinem ,Leben Dantes einen biographischen
Versuch dar, welcher die geistige und leibliche Physiognomie des Helden
herausstellen Wollte. Die poetische Einbildung spielte dabei noch eine grössere
Rolle als die kritische Einsicht. Den bestimmten ilorentinischen Hausgeschmack
finden wir wie in der Chronik des älteren, so in den ,Vite' des jüngeren Villani,
denen manche andere Schilderungen vorausgingen, ehe Giorgio Vasari um
die Mitte des 16. Jahrhunderts seine Künstlerbiographien schrieb, die trotz
aller Schwächen für unsern Gegenstand von so unvergleichlicher Bedeutung
sind. Das 15. und 16. Jahrhundert liefern jetzt auch namhafte Biographien
hervorragender Staatsmänner und Herrscher; die Päpste der Renaissance
linden geschickte, wenn auch nicht unparteiische Lebensbeschreibei" in J acopo
da Volterra, Platina, Paolo Giovio. Die Selbstbiographie wird durch
Petrarca's Brief an die Nachwelt wieder eingeleitet, von Enea Silvio
(Papst Pius II) in seinen Commentaren wieder aufgenommen und gewisser-
massen zum Spiegel aller Zeitströmungen im Guten wie im Bösen gemacht,
worauf dann einer der grössten Künstler aller Zeiten, Benvenuto Cellinil,
sich selbst in seiner künstlerischen Vielseitigkeit und Grösse, aber zugleich
in seiner ganzen dämonischen Verwegenheit preisgibt. Neben dieser Schil-
derung einer wild bewegten und durch Leidenschaften aller Art vergifteten
Existenz erfreuen uns die Denkwürdigkeiten zweier Weltweisen, des Venezianers
Luigi Oornaro (1467-1566; ,Discorsi della vita sobria') und des Natur-
forschers Giordano Cardano (geb. zu Pavia 1501, gest. 1576), welche
uns beide ein glückliches, in Mässigkeit und Arbeit zugebrachtes Alter malen.
Die Freude an der Herrlichkeit der eigenen Geburtsstadt tritt uns schon
seit dem 12. Jahrhundert in der Lombardei _(bei dem älteren Landuliius u. A.)
entgegen. Dann kommen die Kreuzzüge und mit ihnen der ausserordentliche
Aufschwung der italienischen Seestädte. Die Galeeren Pisals, Genuafs und
Venedigs bringen aus dem fernen Orient Menschen und Waren zurück, welche
die Beobachtung auf fremde Völker und Länder lenken. Seit den grossen
Reisen des Marco Polo (1271), die sich bis in die Hauptstadt des chine-
sischen Reiches erstreckten, erwacht die Richtung auf Studium und Charak-
teristik ganzer Bevölkerungen, wie wir sie sowol bei Brunetto Latini und
Dante als insbesondere in des Uberti ,Dittamondo' begegnen. Im eigenen Lande
1 Seine ,Vita'
GUASTI, Fir. 1890.
bekanntlich
von Gonnns
übersetzt.
von GAETANO
gute Schulausgabe
Neue