Buch.
Zweiundzwanzigstes
manchfach uns begegnende Erzählung ,Li trois Mors e li trois Vis' sich ohne
weiteres nahelogtl.
Macarius ist von der Höhe des Berges herabgestiegen, wo, wie Vasari
sich ausdrückt, die ,srmti romiti ehe servono al Signorä hausen. Vor der
Einsiedelei sitzen die von Alter gebückten Eremiten, in traulichem Umgang
mit den Thieren des Waldes, die hier Niemand jagt; einer von ihnen melkt
eine Ziege. Auf dieser ganzen die linke obere Ecke des Fresco füllenden
Scene ist ein Strom von Licht, ist die seligste Heiterkeit als Ausdruck der
Ruhe des Gemüthes ausgebreitet, Welche die Abgeschiedenheit von den Ge-
schäften, Leidenschaften und Nichtigkeiten dieses Weltlebens in der frommen
Seele schafft. An diesem Zustand des Gemüthes geht der Tod machtlos vor-
über: ohne Schrecken sieht man sein Kommen, sein Gehen. Um so schreck-
licher herrscht er in und über der übrigen Mensehenwelt. Und die Schilderung
dieser seiner Gewalt füllt den Rest des Gemäldes aus. Dem Lustgarten mit
den Gaudenti ist das Weh am nächsten; nicht als Gerippe wird der Tod hier
gemalt: eine furchtbare Megare, halb Fledermaus, halb Gerippe, mit Wild
wallendem Haar, saust der Tod auf diese Gemeinde der Fröhlichen herab, um
mit seiner Sense die grassliche Ernte zu halten, deren Ertrag unten am Boden
liegt Arme und Reiche, Krüppel und Wohlgebildete, Jünglinge und Greise,
Männer und WVeiber, kurz, zahlloses Volk von jeglichem Geschlecht und Alter
(Vasari), ,piena eh mo-rte tutta la campagna", Wie Petrarca singt. Aber der
Tod ist grausam nicht bloss in dem, Was er nimmt: er ist es nicht minder Denen
gegenüber, welche fruchtlos Erlösung durch ihn fordern. Die Schar dieser
Wehevollen, an denen er ohn, Erbarmen vorübersaust, sieht man links von
der ßampayna" der Todten: Krüppel und Bettler, die vergebens die Arme
nach der pnedicina (Vogni pena" ausstrecken und an deren hungrigem Munde
diese mltima cenaf vorübergeht.
Der Künstler begnügt sich nicht, das Werk des Todes zu malen; auch
was auf ihn folgt, wird hier schon angedeutet und damit der Uebergang zu
dem Weltgericht gebildet. In den Lüften sieht man den Kampf der Engel
und der Teufel um die abgeschiedenen Seelen, und leider scheinen die Letzteren
den stärksten Antheil an der Beute zu haben. Man sieht Diese in frazzen-
hafter Bildung, halb Mensch halb Bestie, grottesk phantastisch und selbst
humorvoll, so dass sich der Gedanke an die Malebranche und all das Teufels-
gesindel nahe legt, das uns Dante Inf. XXI verführt.
Der geistige Gehalt des Fresco ist so klar und einleuchtend, dass man
nur staunen kann, dass ein Mann wie Hettner sich in ihm so gründlich irren
konnte. Auch hier sieht er wie in der Spanischen Kapelle in der Garten-
scene den geschlossenen Garten des Hohenliedes als Sinnbild der Kirche,
und er lässt sich von dem missverstandenen Commentar des hl. Thomas ver-
leiten, in den da Sitzenden Diejenigen zu sehen, welche Augenlust, Fleisches-
lust und Hoffart des Lebens überwunden haben. S0 sind ihm die Frau mit
der Zither und der Mann mit der Geige Allegorien der mortificatio camis,
die Bäume Granatbaume, welche die Reinheit von den Flecken des Fleisches
anzeigen, die Frauengestalt mit der eigenthümlichen Neigung des Kopfes An-
deutung des contemplativen Lebens und die Liebespaare sollen das Zusam1nen-
sein gottseliger Menschen bedeuten. Wenn er dann (S. 185) in dem ,gemalten
DIDRON Ann. arch. XVI 165;
Außßn Symb. relig. III
XXIV
92.
in Elsass-Lothringen
KRAUS Kunst und Alterth.
III 437.