Zweiundzwanzigstes Buch
ruhe zwischen Minoriten und Dominicanern disputirt wurde und letztere den
Sieg davon trugen? 1
läippfs- Den letzten Ausläufer dieser allegorischen Dominicanerkunst treffen wir
zwanzig Jahre später in der grossen Ordenskirche S. Maria sopra Minerva
m Milwrvß zu Rom, wo zwischen 1487-1493 Filippino Lippi im Auftra.g des Cardinals
m Rom" Olivieri Caraffa eine neue Glorie des hl. Thomas malte (Fig. 49) 2. Das Werk
lehnt sich nur mehr sehr äusserlieh an die früheren Darstellungen an: die Re-
naissance hat ihren vollen Einzug gehalten, der sich zunächst in der prächtigen
Umrahmung, dann der den Hintergrund füllenden Architektur und endlich in
dem die Mitte einnehmenden, die Apsis einer Renaissancekirche darstellenden
Tribunal verräth. Das Giebelfeld dieser Apsis nimmt ein von zwei Engeln
gehaltenes kleines Buch ein; auf den Simsen der Eckpilaster stehen recht un-
manierliche Putti, welche Inschriftenschilder über den Kopf halten, auf denen
man liest: Declaratio sernzon-uln tuommz- illuminat, und: Et iwtellectzem dat parvulis.
Themas thront zwischen vier allegorischen Frauen, von denen die beiden zur
Rechten als Theologie und Philosophie, die zur Linken vielleicht als Rhetorik
und Grammatik anzusprechen sind. Die Theologie dürfte durch die von ihr
getragene Krone gekennzeichnet sein. S. Thomas verweist mit der Rechten
die Frauen durch das in seiner Linken aufgeschlagene Buch. Zu seinen Füssen
liegt sehr ungebührlich hingeworfen wieder Averrhoes, unter dem am Vorsprung
des Bemais die Worte stehen: Drivo Ilhomae 0b prostrataln impietatewrz. Unten
am Sockel liest man: Infirneate (nicht infornzate) samt intra eos lingun
eorzmz. Was diese Bezugnahme auf die babylonisehe Sprachverwirrung (vgl.
Gen. 11, 9) bedeutet, lehren die beiden Gruppen rechts und links im
Vordergrund des Gemäldes, wo wir zwei Hauptketzer, Arius und Sabellius
(bezeichnet durch die Inschriften: S5 ßlius natus est, erat qzumdo non eraf
ßlizzs. Error Arii. Pater a filio non est alius nec a spiritu sancto. Error
Sabelliii), beschämt und widerlegt ihres Weges gehen sehen. Ihre Bücher
liegen zerstreut am Boden. Viel Volkes hat sich versammelt, um dem Vor-
gange zuzuschauen, den ein Dominicaner in der Ecke des Bildes ihm offenbar
erklärt.
Das Bild bietet in der Composition wenig Neues, in der Ausführung ist
es frostig und entbehrt es all jenes Reizes, welcher die fast gleichzeitige
Wundervolle Schöpfung des Meisters in der Florentiner Badia (1480) aus-
zeichnet. Es ist als ob der junge Künstler es schon voll empfunden habe,
dass die Heimsuchung unseres Gemüthes durch himmlische Gedanken, wie
sie die Erscheinung der Madonna vor S. Bernhard ausspricht, etwas allgemein
Gültiges und der Menschheit nicht zu Nehmendes sei, während ihm, in der
Zeit, wo der Thomismus zurückgetreten und der Geist der italienischen
Nation ganz andere Wege eingeschlagen, schon von Ferne einleuchten
mochte, wie alle menschliche Dialektik nur etwas Bedingtes sei und jedes,
auch das mächtigste Gebäude menschlicher S eculation nur einen relativen
Werth beanspruchen kann. Seine ,Gloria di Tommaso" musste ihm selbst
als ein Anachronismus erscheinen, der sich um volle hundert Jahre im Datum
geirrt hatte.
1 PASTOR Gesch. d. Päpste
P11 II Cunxm. p. 279 sq.
407.
RQSINI tnv. LXVIII. Vgl.
O. S. 143 mit Abbildung.
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