italienische
Frührenaissance.
der hl. Gregor, wenn nicht Innocenz III; neben ihm ein bartloser Domini-
caner, sicher der hl. Thomas von Aquin), Martyrer (unter ihnen S. Laurentius
durch seinen Rost bezeichnet), Confessoren, Virgines und Viduae.
Die oberste Zone nimmt die Maiestas Domini ein: Christus in kreisförmiger
Mandorla auf der Iris thronend, in der Rechten das Schwert auf dem
Altar vor ihm das Agnus Dei (Anklingen an die Liturgia coelestis) zwischen
den vier evangelistischen Zeichen. Rechts und links ein Chor von Engeln,
welchen Maria anführt; sie tragt Krone, Lilie und Buch. Den Hintergrund
des Lustgartens bildet eine mit stolzen Castellen und einer Kapelle besetzte
Gebirgslandschaft, welche in ihrer Behandlung weit über das hinausgeht, was
die gleichzeitige Landschaftsmalerei bis auf Benozzo Gozzoli hin zu bieten weiss.
Ueber ihr ist der gestirnte Himmel ausgebreitet.
S0 ist, nach dem Programm, das dem Künstler auferlegt wurde, das
gesammte kirchliche Leben und die ganze Entwicklung der Menschheit nach
der Seite der Gottähnlichkeit auf das intimste mit den Schicksalen und der
Thätigkeit des Predigerordens verbunden. Mit dieser unserer Auffassung
ändert sich auch das über das Werk zu fallende Urteil. Es nimmt einen
vorwaltend historischen Charakter an, es ist nicht mehr, wie noch der neueste
Cicerone (S. 600) meint, ein rein symbolisches Bild, die Bestimmung und Macht
der Kirche auf Erden, das vollkommen aus der Buchphantasie, nicht aus der
Künstlerphantasie, entstanden wäre. Es handelte sich gar nicht darum, das Bild
der Kirche symbolisch zu geben, was nach Burckhardts Meinung ganz anders
grossartig hätte geschaffen werden können. Es handelte sich darum, die Be-
dingungen aufzuweisen, auf welchen die Praponderanz des Dominieanerordens
in der Kirche, namentlich den andern Orden gegenüber, gegründet war; ein
Uebergewvicht, das ihm später eine andere grosse religiöse Genossenschaft
thatsachlich entrissen hat, ohne dass es im Princip jemals aufgegeben wurde.
Mit dem Gesagten entfällt auch ein Theil dessen, was oben über das 1291-1111030-
Ungenügende der Allegorie gesagt wurde und was, so begründet es im
allgemeinen ist, doch nicht völlig auf ein Gemälde zutrifft, das nur in ge- Schöpfun-
wissen Theilen allegorisch zu fassen ist. Ganz abgesehen davon, dass Burck- so"
hardts scharfes Urteil über die Allegorie doch eigentlich ganz auf dem von
Boileau begründeten, im 18. Jahrhundert wesentlich durch Voltaire ausgebildeten
Kanon steht, welcher nicht nur die Existenz allgemeiner Gesetze des Schönen,
sondern auch die Möglichkeit annahm, alle Gattungen der künstlerischen
llervorbringung nach einer bestimmten Formel zu reglementiren. Diesem rein
ästhetischen Dogmatismus steht doch auch eine vorzugsweise historische Auf-
fassung entgegen, welche die Evolution der Gattungen im Kunstwerk zugibt
und von dem Grundsatze ausgeht, Werth und Schönheit einer Kunstschöpfung
könne nicht unter Abstraction von dem Milieu beurteilt werden, in Welchem sie
entstanden ist. Die Allegorie aber War dem Mittelalter durch Ursprung und
Sprache der heiligen Schriften, durch die symbolische Sprache der altchrist-
lichen Kunst und den ganzen allegorisch-mystischen Charakter der Liturgie,
durch die alles durchdringende Herrschaft des religiös-kirchlichen Princips
aufgedrückt: es lebte in einer Atmosphäre, Welche von diesem symbolisch-
allegorischen Zug völlig durchtränkt war, und damit war auch den Menschen
des Mittelalters gegenüber, War in ihrer Empfindung und ihrem Urteil der
Allegorie ein Recht in Poesie und Malerei gegeben, das man heute von einem
ganz andern Standpunkt aus ablehnen kann, ohne darum berechtigt zu sein,
es vergangenen Jahrhunderten abzusprechen.