Volltext: Die Kunst des Mittelalters, der Renaissance und der Neuzeit: Renaissance und Neuzeit (Bd. 2, Abth. 2, Hälfte 1)

Buch. 
Zweiundzwanzigstes 
in der Thätigkeit des Dominicanerordens und in der Anerkennung der thomi- 
stischen Philosophie und Theologie. Die zwei grossen Hauptbilder sind der 
Weitläufige Commentar zu dieser doppelten These. 
Das Zeitalter des Barocco muss für diese beiden Compositionen Ver- 
ständniss und Interesse verloren haben; anders könnte man sich kaum er- 
klären, dass die Verfasser der ,Bellezze dclla Citta di Firenze' (167 7) sie ohne 
weitere Erklärung flüchtig erwähnen und die erste eingehondere Besprechung 
derselben im 18. Jahrhundert durch den Akademiker Gius. Maria Mecatti 
(1737) und den P. Richa (1755) mit mancherlei Irrthümern verbunden istl. 
In seiner allgemeinen Bedeutung ist der Triumph des hl. Thomas an der 
W estwand (Fig. 46) klar. Es ist dasselbe Thema wie bei Traini und Orcagna, 
nur erweitert durch eine Auseinanderlegung des bei Jenen Angedeuteten. 
In einer gothischen Nische, welche an die Ciboriumsaltäre der Cosmaten 
erinnert, sitzt der Englische Lehrer im weissen Gewande der Dominicaner, 
den schwarzen Mantel umgeschlagen, das Haupt von reichem Nimbus um- 
strahlt; auf seinen Knieen ruht ein aufgeschlagenes Buch, auf welchem die 
Verse aus Sap. 7, 7 zu lesen sind: ßptarvi, et datus est mihi sensus. Invocavi, 
et venit in me Spiritus sapientiae. Et praeposui illam regms et sedibus." 
Rechts und links von Thomas sitzen, durch Inschriften bezeichnet, die von ihm 
commentirten biblischen Schriftsteller: die Evangelisten, Paulus, Moses, David, 
Salomon, Job und Jesaias. Der Giebel der Kathedra birgt ein Medaillen 
mit dem Brustbild der Sapientia, rechts und links von ihm und über dem 
Thron erscheinen sieben geflügelte weibliche Gestalten: oben Fides, Spes und 
Caritas, darunter die vier Cardinaltugenden Iustitia, Fortitzado, Pmclentia, 
Tenzperantia. Zu Füssen des hl. Thomas sitzen die trauernden Gestalten 
dreier ketzerischer Philosophen, welche Vasari als Arius, Sabellius und Averrhoes 
bezeichnet, ähnlich wie bei Traini, später bei Benozzo und Filippino Lippi in 
S. Maria sopra Minerva und schon früher in Giustds Fresken in Padua 2. 
Der Sinn der Composition kann nicht zweifelhaft sein: es ist der Sieg (ler 
christlichen Theologie über das Heidenthum und die Häresie. Ruskin glaubte 
in dem auf das Buch aufgeschriebenen Bibelverse eine Florenz selbst in den 
Mund gelegte Ermahnung an die Florentiner sehen zu sollen 3. Gotti ver- 
wirft mit Recht diesen Gedanken, aber was er selbst hinzufügt, führt uns 
auch nicht viel weiter 4. Denn es ist im Grunde etwas Selbstverständlichos, 
1 FRANC. BOCCHI e Grov. CINELLI Le Bel- 
lezze della Cittä di Firenze (Fir. 1677) p. 261, 
wo die Ausmalung der ganzen ,Cappella di 
S. Jacopo fatta dalla nazione Spagnolzü dem 
Simone Memmi aus Siena und seinem Bruder 
Lippo zugeschrieben ist.  RICHA 1. c. IlI 
l, 80 sg., wo MiacATTfs Erklärung abgedruckt 
ist. Auszüge aus derselben auch bei FAN- 
TOZZI Nuova. Guida di Firenze (Fir. 1850) p. 520. 
Nach Richa. hätte Taddeo Gaddi die Decke 
und die westliche Wand (von Mecatti wol 
zuerst als ,la Chiesa Militante e 'l'rionfante' 
bezeichnet), Simone Menimi die Süd- und 
Ostwnnd und die Kreuzigung an der ,pn.rete 
a 'l'ra1n0ntan0' gemalt. 
2 Traini und Benozzo geben nur einen 
Philosophen, der durch seinen Turban hin- 
länglich als Averrlmes eharakterisirt ist. Die 
Behauptung J. v. SGIILOSSERS (,Giusto's Fres- 
ken in Padua", Jahrb. d. kunsthist. Samm- 
lungen des allerh. Kaiserhauses XVII [1896] 
33), bei Benozzo vertrete Albert d e 
SaintHÄmour, der Widersacher der Men- 
dicanten [sollte wol heissen: Guilelmus 
de S. Am o r e, der Verfasser des Buches ,De 
periculis novissimorum ten1p0rum', weiches 
Alexander IV 1256 verdannnte], die Stelle 
des Averrhoes, überrascht mich bei einem 
so ausgezeichneten Forscher, da sich meines 
Erachtens kein ernstes Argument dafür bei- 
bringen lässt. 
3 Jom: RUSKIN Mornings in Florence V 
(Lond. 1882) 123. 
4 AURELIO Gorrr De! Trionfo di S. Tom- 
maso d'Aquino nel Ceppellone degli Spngnoli 
(Fir. 1887) p. 23.
	        
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