146
Zweiundzwanzigstes Buch.
Orcagna.
mann 1355 starb, hinterliess er zur Vollendung der Malerei noch 325 Gold-
gulden, denen sein Bruder noch 92 weitere hinzufügte. Demnach ist an-
zunehmen, dass die Malerei 1355 noch nicht vollendet war. Vasari (I 580)
bezeichnet Taddeo Gaddi und Simone Memmi aus Siena als die ausführenden
Künstler. Da letzterer 1339 aus Italien nach Avignon verzog und 1344 starb,
ist die Annahme seiner Mitwirkung jetzt allgemein aufgegeben. Aber auch
diejenige Taddeds, der allerdings erst 1360 starb, erscheint bei der Ver-
schiedenheit seiner mehr alterthümlicheli und iinstern Manier nicht wahr-
scheinlich. Die Vermuthungen Cavalcasellds, welcher die beiden Hauptbilder
Andrea de Florentia, und Försters, welcher die Glorie der Dominicaner dem
Maler der obern Reihe der Ranieri-Fresken im Camposanto zu Pisa (dem-
selben Andrea da Firenze) zuschreibt, haben nur getheilten Beifall gefunden.
Jedenfalls wird man zwei verschiedene Hände in den grossen Compositionen
unterscheiden und an jüngere Kräfte aus dem Kreise der Giottesken denken
müssen, welche genau nach dem ihnen von demPrior des Conventes, Fra Ja-
copone Passavanti, übergebenen Programm gearbeitet haben werden 1. Nach
einem solchen ihm überlieferten Programm dürfte wol auch ein anderer Künstler
der Schule gearbeitet haben, Andrea Orcagna (gest. 1368), der 1357
in der Kapelle Strozzi im nördlichen Seitenschiff von S. Maria Novella ein
mit den Fresken in der Spanischen Kapelle in Zusammenhang stehendes
'Werk schuf 2. Es stellt eine Maiestas Domini dar: Christus mit einer byzan-
tinischen Kaiserkrone in der mandelförmigen, mit Cherubsköpfen gefüllten
Mandorla, zu seinen Füsson musicirende Engel von ausserordentlicher Grazie,
rechts und links von ihm die durch Inschriften bezeichneten: Maria, S. Caterina
mit dem Rad, S. Michael mit dem Drachen; links Johannes der Täufer,
S. Laurentius mit dem Rost, S. Paulus mit Schwert und Buch. Links von
dem Herrn kniet der hl. Petrus, der den Himmelsschlüssel aus seiner Hand
empfängt, rechts S. Thomas von Aquin, der dem Herrn ein aufgeschlagenes
Buch darreicht. Man beachte, dass hier Thomas schon vor Petrus den Ehren-
platz zur Rechten einnimmt und von Maria dem thronenden Erlöser vor-
gestellt wird. An der Predella ünden sich drei überaus lebendig behandelte
kleine Scenen: die Navicella (Doppelscene: Petrus auf den Fluthen wandelnd
und der Herr schlafend), rechts die Feier einer Messe in einem von Domini-
canern gefüllten Chor, links der Tod eines Königs zwischen der Seelenwage und
einem in seinen Felsen hausenden Einsiedler, vor dem die Teufel entfliehen.
Ich sehe in diesen Bildern eine Reminiscenz der grossen Fresken im Campo-
santo zu Pisa. Das Hauptbild ist unzweifelhaft die Glorie des Aquinaten.
Künstlerisch geringer als die feinfühlige und zarte Arbeit des Orcagna
ist dann die malerische Ausstattung der Spanischen Kapelle selbst, in ihrer
' VASARI l 580. Dazu MARCHESE Memorie
I4 166. 173.
2 Abbildung bei FÖRSTER Denkm. ital.
Malerei I, Taf. 31. Vgl. HETTNER a. a. O.
S. 108 f. mit Abbildung. Das Bild ist gezeich-
net ANNO DNI MOCC LVIT LANDREAS
CIONIS DE FLORETIA ME PIXIT. Nicht
zu übersehen ist die von unsern Kunst-
historikern gänzlich ausser acht gelassene in
der Cappella di S. Tommaso d'Aquino beim
Grabe des sel. Aloxius Strozzi (starb 1384)
angebrachte, aber W01 neuere lnschrift. Welche
P. Glus. RICHA Notizie storiche delle Chiese
Fiorentine (Fir. 1705) III 1, 54 aufbewahrthat:
D. TOMAE ECCLESIAE DOCTORI ANGE-
LICO SACELLVM HOC EXIMIA TABVLA
ARAE SVPPOSITA ABSIDE ET PARIFIPI-
BVS PICTIS AB ANDREA CIONIS FIT.
COGNOMENTO ORCAGNA QVI DIVINVM
DANTIS INVENTVM IN HIS EXPRESSVP
INSIGNE AC VENERANDVM STROZIA
GENS QVAE ROSSVMGERJ FIL PATRI-
ClVM FLOR PRO PAGNFOREM HABET
INEVNTE SECVLO XIV DEDICAVIT.