italienische
Frührenaissance.
nur mehr als ein von diesem Wege abführendes Element erscheinen muss.
Sie kann nur mehr eine Berechtigung beanspruchen, wo sie an das Leben
anknüpft und auf das Leben zurückführt. Auch Raifael ist in den Stanzen
noch Allegoriker; aber er stellt nur sinnfällige Vorgänge dar, in deren Ver-
lauf sich ein tieferes Geheimniss ausspricht. Wenn dagegen Ambruogio Loren-
zetti's grosses Gemälde im Palazzo pubblico zu Siena die Concordia veran-
schaulicht, wie sie zwei von dem Gürtel der Iustitia commzetatiiva und disiri-
buliva ausgehende, und darüber mit der Sapieaztiia verbundene Stricke fasst und
der Versammlung der vierundzwanzig Stadtältesten das Ende des Seiles über-
gibt und dieses dann an die thronende Colossaliigur des Rrjqgimcnto der Repu-
blik geleitet wird, so liegt dieser Vorstellung kein realer, sinnlicher Vorgang
zu Grunde und es kann einen solchen nicht geben. Die Vorstellung ist darum
ungesund und künstlerisch unzulässig.
Es ist sehr merkwürdig, dass diese theologisirende Allegoristik sich nicht
in dem Zeitalter der eigentlichen Blüte der Scholastik hervorwagt, sondern
wesentlich dem Verfall dieser grossen speculativen Bewegung angehört: einer
Zeit, in Welcher sich von weitem der Zwiespalt der Schultheologie und des
Realismus des Lebens mit seinen neuen unermesslichen Perspectiven aufthut.
In demselben Augenblick, wo Petrarea und Boccaccio an den Grundpfeilern
der scholastischen Bildung rütteln, sucht sich diese durch mächtige allegorische
Schaustellungen der Vorstellungswelt des Volkes gegenüber zu retten. Sie
flüchtet sich hinter die Glorie eines Thomas von Aquin, dessen Genie ihr ab-
handen gekommen, ohne zu sehen, dass auch das mächtigste Genie der Ver-
gangenheit nicht mehr ausreicht, um ganz neuen Bedürfnissen und neuen Er-
fahrungen des menschlichen Geistes gegenüber den Dienst als Panacee zu
verrichten.
Kein Wunder, dass diese theologische Allegoristilä sich im Dominicaner-
erden am längsten erhielt. Er war durch seine Traditionen mehr als jede
andere Schule darauf angewiesen, das Ansehen des Doctor Angelicus hoch-
zuhalten; er hat, entschiedener als jeder andere Kreis des Welt- oder Ordens-
klerus, sich dem Eindringen der neuen humanistischen Tendenzen widersetzt
und die Treue gegen den grossen Meister bewahrt. Drei grosse Kunst-
schöpfungen sind dieser Neigung entsprungen: Traini's Triumph des hl. Thomas,
der Cyklus der die Spanische Kapelle in S. Maria Novella schmückenden Ge-
mälde beide fast gleichzeitig um die Mitte des 14. Jahrhunderts entstanden
und Filippino Lippfs Werk in der Cappella Caraffa in S. Maria sopra Minerva
in Rom, welches dem Sieg der Hochrenaissance nur um wenige Jahre voraus-
geht. Diese drei Hauptwerke der Dominicanerkunst fordern in einer Geschichte
der christlichen Kunst eine eingehendere Betrachtung.
Die ,Gloria' oder der ,Trionfo' ist ein Erbstück der Antike. Die in den Der Tl'l
Spielen und Festzügen der Italiener seit dem 12. Jahrhundert so beliebten
Triumphe mit den Triumphwagen u. s. f. leiten sich zweifellos aus den triumphalen
Aufzügen der römischen Kaiserzeit herl. Der Carroccio, den die Mailänder
1176 in der Schlacht von Legnano mit sich führten und dessen Abbildung
uns in einer Miniatur erhalten ist, ist sicher eines der frühesten Beispiele
weltlicher Triumphwagen: aber auch auf ihm erhob sich der Altar mit dem
Crucifix. In der kirchlichen Kunst veranschaulichen uns der Haller Altar,
1 Für nmnchc Details verweise ich auf
meinen Dante S. 728 f, Dazu Jos. BAYER Aus
Italien (Lpz. 1885) S. 176 f.
de Part p. 1a Ren. II 57 66.
MÜNTZ Hist.
86. 133. 138.